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Tuberkulose auf dem Vormarsch

Mathias Bölinger24. März 2009

Tuberkulose ist seit 50 Jahren heilbar. Trotzdem steigen die Zahlen der Infizierten weltweit. Besonders Indien, China und Afrika sind betroffen, obwohl genügend Medikamente zur Verfügung stünden.

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Eine chinesische Ärztin untersucht eine junge Erkrankte (Foto: AP)
Experten schätzen, ein Drittel der Menschheit könnte mit Tuberkulose infiziert seinBild: AP

Im Westen ist Tuberkulose in den vergangenen Jahrzehnten ein wenig aus dem Blick geraten. Weltweit allerdings gehört die Krankheit zu den am stärksten verbreiteten Krankheiten überhaupt. Dabei wissen die meisten Tuberkulose-Infizierten gar nicht, dass sie den Erreger bereits in sich tragen, erklärt Bonita Brodhun vom Robert-Koch-Institut in Berlin. "Laut Weltgesundheitsorganisation geht man davon aus, dass weltweit rund ein Drittel der gesamten Menschheit infiziert ist. Aber nur etwa fünf bis zehn Prozent der Infizierten erkranken auch im Laufe ihres Lebens."

In Deutschland ist Tuberkulose vor allem unter Einwanderern verbreitet, die sich in ihren Heimatländern angesteckt haben. Auch alte Menschen sind betroffen, weil bei ihnen das Immunsystem schwächer ist. Ein gesunder Körper kann die Infektion meist gut in Schach halten. Erst wenn der Körper geschwächt ist, bricht die Krankheit aus. Tuberkulose ist deshalb eine klassische Armutskrankheit, wie auch Elena Skatschkowa, die Leiterin des epidemiologischen Zentrums zur Beobachtung der Tuberkulose in Moskau, festgestellt hat: "Unsere Geschichte zeigt, dass in den neunziger Jahren, als wir drei Wirtschaftskrisen hatten, die Krankenzahlen und die Zahl der Tuberkulose-Tode stark angestiegen sind." Die Moskauer Tuberkulose-Expertin geht davon aus, dass im Laufe der weltweiten Wirtschaftskrise und dem Anstieg der Arbeitslosigkeit wieder mehr Menschen an Tuberkulose erkranken und sterben.

Medikamente sind nicht das Problem

Eine afrikanische Frau hält ein tuberkulose-krankes Kind (Foto: dpa)
Die meisten Tuberkulose-Fälle treten in Afrika aufBild: picture-alliance/ dpa

Der Zusammenbruch des Kommunismus hat in den neunziger Jahren zu einer massiven Ausbreitung der Krankheit vor allem in Osteuropa und Zentralasien geführt. Gleichzeitig beobachteten die Forscher damals in Afrika einen rasanten Anstieg der Infiziertenzahlen. Das wurde vor allem durch die Verbreitung von Aids verursacht. Die Immunschwächekrankheit führt oft zu einem Ausbruch der Tuberkulose.

In absoluten Zahlen führen die Bevölkerungsgiganten Indien und China die Statistiken an. Doch gemessen an der Einwohnerzahl sind es die afrikanischen Länder, die die meisten Tuberkulose-Fälle verzeichnen. Dabei wäre die Krankheit eigentlich medizinisch leicht unter Kontrolle zu bringen, erklärt Christian Gunneberg von der Weltgesundheitsorganisation: "Es gibt die Medikamente, und die sind gar nicht so teuer. Wir könnten leicht die nötigen Medikamente bereitstellen. Der 'Global Fund' zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose hat Mittel und die Regierungen stellen Geld zur Bekämpfung der Tuberkulose zur Verfügung." Das Problem sei die schwache medizinische Infrastruktur, besonders in Afrika.

Gefährliches Erbe der Sowjet-Ära

Röntgenbild einer Lunge eines TB-Kranken (Foto: dpa)
Tuberkulose-Bakterien befallen die LungeBild: picture-alliance/dpa

Sorgen macht den Wissenschaftlern inzwischen vor allem die Zunahme von Resistenzen. Immer mehr Bakterienstämme sind gegen die gängigsten Antibiotika resistent. So ist in Osteuropa und Zentralasien nach dem Zusammenbruch des Kommunismus die Zahl der so genannten Multiresistenzen massiv angestiegen - vor allem durch falsche Behandlung. Vier Antibiotika werden normalerweise eingesetzt. Wenn aber nur mit einem einzigen Antibiotikum gearbeitet wird, bilden sich schnell Bakterienstämme, die gegen die gängigen Antibiotika resistent sind. "Wenn sich der Stamm weiter vermehren kann, hat man schnell eine weitere Resistenz, dann ist er schon gegen zwei Medikamente resistent", sagt Christian Gunneberg von der Weltgesundheitsorganisation. "Nur wenn man von Anfang an alle vier Medikamente verabreicht, kann man verhindern, dass sich diese Resistenzen bilden."

Vor allem in Afrika haben sich deshalb inzwischen Bakterienstämme herausgebildet, die gegen die meisten oder sogar gegen alle Medikamente resistent sind. "Extremresistenz" nennen Wissenschaftler diese Fälle. Margaret Chan, die Generaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation, warnt bereits: "Diese Form ist so gut wie unbehandelbar und führt in nahezu 100 Prozent der Fälle zum Tod. Wenn sie sich international weiter verbreitet, dann könnte uns das zurückwerfen in die Zeit vor der Erfindung von Antibiotika."

Schon heute sterben an Tuberkulose weltweit mehr Menschen als an jeder anderen behandelbaren Krankheit.