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Tunesien sucht den Weg in die Zukunft

21. Januar 2011

In Tunesien machen sich neben der Trauer über die Opfer langsam auch Erleichterung und Freude breit. Die gewalttätigen Auseinandersetzungen sind größtenteils beendet. Viele im Land schauen jetzt nach vorn.

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Die Tunesier sind stolz auf ihre Revolution (Foto: AP)
Die Tunesier sind stolz auf ihre RevolutionBild: AP

Optimisten wollen sie sein, trotz der vielen Probleme und trotz der vielen offenen Fragen. Die meisten Tunesier atmen auf – wenigstens scheinen die anarchischen Zustände der vergangenen Tage vorbei. Bei immer mehr Bürgern macht sich Freude breit über die neue Zeit, in die Tunesien aufgebrochen ist. Freude und Stolz, als bisher einziges arabisches Volk eine Revolution begonnen zu haben, auch wenn die noch nicht beendet ist. Soviel ist klar: Seit dem Umsturz in Tunesien hat der Islamismus als Schreckgespenst ausgedient. Auch darauf sind die Menschen stolz.

Tolerantes Volk

Bei den Protesten ging es den Tunesiern um ihre Freiheit (Foto: dpa)
Bei den Protesten ging es den Tunesiern um ihre FreiheitBild: picture-alliance/dpa

"Haben Sie auch nur einen Bärtigen oder nur einen jungen Tunesier gesehen, der eine amerikanische Flagge verbrennt? Haben sie einen gesehen, der ruft: 'Nieder mit den USA' oder 'Nieder mit Israel'?" fragt eine Tunesierin. Die Leute hätten bei den Demonstrationen nichts anderes als "Würde und Freiheit" gefordert. Die Tunesier seien ein tolerantes, ein freies Volk.

Politische Beobachter sehen Tunesien auf einem guten Weg - auch wenn alle wissen, dass die nächsten Wochen schwer werden. Wie schwer, das kann man an der ersten Kabinettssitzung erkennen, zu der sich die Übergangsregierung dieser Tage treffen wollte. Kurzfristig wurde sie wieder vertagt. Vielleicht auch wegen der Demonstrationen, die es in Tunis und einigen Städten wieder gegeben hat. Tausende Gegner des alten Regimes gingen erneut auf die Straße.

Wackeliges Gerüst

Treffen der neuen Übergangsregierung (Foto: AP)
Treffen der neuen ÜbergangsregierungBild: AP

Der Wurm ist tief drin im politischen Gebälk des neuen Landes, und alle hoffen, dass das wackelige tunesische Haus deswegen nicht gleich wieder einstürzt. Noch immer haben die Minister der früheren "quasi"-Staatspartei RCD die wichtigsten Ressorts – und sie sitzen an einem Tisch mit Premierminister Ghannouchi, der den Rausschmiss von Ex-Präsident Ben Ali und seinen Austritt aus der bislang beinahe allmächtigen RCD verkündet hat.

Drei Minister aus den Rängen der Einheitsgewerkschaft UGTT haben das Kabinett noch vor der Vereidigung wieder verlassen, weil sie die RCD-Minister nicht akzeptieren wollten. Auch der liberaldemokratische Mustafa Ben Jafaar will nicht mitmachen. Er sollte Gesundheitsminister werden. Andere Oppositionelle wollen dagegen die bittere Pille schlucken, dass das alte Ben-Ali-Regime in Form von Ben-Ali-Ministern vorerst weiter mitmischt. Ahmed Bouazzi etwa, Sprecher der Progressiven Demokratischen Partei PDP. Diese Gruppierung war unter Ben Ali legal und durfte an Wahlen teilnehmen, was ihr den Ruf einer tunesischen Blockflötenpartei eingebracht hat.

Zurück zu den Wurzeln

Mohammed Bouazizi wird als Märtyrer verehrt (Foto: dpa)
Mohammed Bouazizi wird als Märtyrer verehrtBild: picture alliance/dpa

Draußen im Land wollen die Menschen nicht, dass ihre Revolution wie ein Bärenfell unter Politikern verteilt wird. Sie bleiben wachsam: "Wenn das jetzt nichts wird, werden wir wieder auf die Straße gehen für unser Recht, auf das wir Anspruch haben", sagt ein junger Mann.

Im Landesinneren, in Sidi Bouzid, so sagen die Einwohner, kehre die Revolution nun an ihre Wurzeln zurück. Hier hat alles angefangen, als sich Mitte Dezember der junge arbeitslose Akademiker Mohammed Bouazizi aus lauter Verzweiflung selbst verbrannte und damit den Umsturz des Ben-Ali-Regimes auslöste. Eine Straße soll jetzt nach ihm benannt werden. Bislang heißt sie noch Straße des 7. November - das war der Tag, an dem Ben Ali 1987 an die Macht kam.

Autor: Alexander Göbel
Redaktion: Katrin Ogunsade