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Turbulenzen um innere Sicherheit

Jens Thurau20. April 2007

CDU/CSU und SPD bilden eine Koalitionsregierung. Eigentlich. Denn wer neu nach Berlin kommt, kann das nicht unbedingt erahnen - meint Jens Thurau aus dem DW-Hauptstadtstudio.

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Bild: DW

Wolfgang Schäuble, der Bundesinnenminister, hat beim Thema innere Sicherheit - vorsichtig ausgedrückt - sehr dezidierte Ansichten. Auf eine Kurzformel gebracht, lauten sie: Seit dem 11. September muss das Verhältnis von Freiheitsrechten und Sicherheitsanforderungen neu definiert werden, die Möglichkeiten des elektronischen Zeitalters darf der Staat weitestgehend ausschöpfen, denn sonst verliert er den Kampf gegen den Terror und gegen die internationale Kriminalität.

In den letzten Wochen hat diese Ansicht des CDU-Politikers zu einigen Turbulenzen in der Großen Koalition geführt. Atemlos muss die SPD mit anschauen, wie Schäuble eine Ausweitung der Sicherheitsgesetze nach der anderen vorschlägt. Erlaubt sein sollen: heimliche Online-Durchsuchungen, automatische Zugriffe der Polizei auf digitale Passfotos, eine zentrale Speicherung von Fingerabdrücken, die auf den neuen Ausweisen vorhanden sind. Auch die Daten der elektronisch erfassten LKW-Maut will Schäuble bei der Aufklärung schwerer Verbrechen nutzen.

Unschuldsvermutung

Und um das alles zu toppen, hat sich Schäuble in einem Interview mit dem Magazin Stern noch diesen Satz entlocken lassen: "Wäre es richtig zu sagen: Lieber lasse ich zehn Anschläge passieren, als das ich jemanden, der vielleicht keinen Anschlag begehen will, daran zu hindern versuche? Nach meiner Auffassung wäre das falsch." Das berührt das fast heilige Rechtsprinzip der Unschuldsvermutung. Ein Aufschrei ging durch die politische Landschaft. SPD-Innenexperte Klaus Uwe Benneter. "Ein Minister, der Hysterie verbreitet, wird selbst zum Sicherheitsrisiko.“

Gemach, gemach: Fast unbemerkt hat die Justizministerin Brigitte Zypries (von der SPD) darauf verwiesen, dass bei der Gefahrenabwehr - also vor einem Verbrechen - ohnehin keine Unschuldsvermutung gilt. Werden nicht ständig vor Fußballspielen, bei denen Krawalle befürchtet werden, die üblichen Verdächtigen "festgesetzt“? Na also.

Profilierungskampf

Aber dennoch: Das Tempo, das Schäuble vorschlägt, hat System: Im Profilierungskampf innerhalb der fragilen Regierungskoalition: Die innere Sicherheit war in der Vorgängerregierung plötzlich ein Thema der SPD. Deren Minister Otto Schily, Schäubles Vorgänger, erwiese sich als Hardliner und Verfechter von Recht und Ordnung. Dieses Themenfeld holt Schäuble nun mit Macht zurück zur Union - und die SPD reagiert sich nach den Jahren des Zähneknirschens über Otto Schily so richtig ab und entdeckt die Bürgerrechte neu.

So sehr haben sich die Koalitionäre zerstritten, dass ein Gipfel zur inneren Sicherheit Mitte Mai einberufen wurde, bei dem die Kanzlerin die Streithähne zur Räson bringen muss. Und so war das im politischen Berlin wieder so eine Woche, bei der jemand, der neu in die Hauptstadt gekommen wäre, nie und nimmer hätte erahnen können, dass Union und SPD eigentlich zusammen eine Regierung bilden ....