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Am Scheideweg

Gesine Dornblüth11. Februar 2007

Turkmenistan wählt einen neuen Präsidenten. Zwar haben die Menschen erstmals die Gelegenheit, zwischen mehreren Kandidaten auszuwählen. Doch der Sieger steht eigentlich schon fest.

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Eine goldene Statue des verstorbenen Staatsführers Saparmurad Nijasow
Der verstorbene Staatsführer Saparmurad Nijasow pflegte einen grotesken PersonenkultBild: AP

Der Oppositionspolitiker Nurmuchammed Hanamow war unter dem Diktator Nijasow Minister für Wirtschaftsplanung und später Botschafter in Israel und in der Türkei. 2002 floh er aus Turkmenistan nach Österreich. Von dort aus führt er die oppositionelle Republikanische Partei Turkmenistans - und beobachtet das politische Geschehen in seiner Heimat aus der Ferne. Vor zwei Jahren verlor er seine zwei Söhne bei einem offenbar vom Geheimdienst inszenierten Autounfall in Moskau. Hanamow spricht von einer Junta, die derzeit die Macht in Turkmenistan in den Händen halte.

"Der Interimspräsident Gurbanguly Berdymuchammedow ist der aussichtsreichste Kandidat für die Wahl am Sonntag (11.2.). Er ist aber nur die sichtbare Spitze", meint der Oppositionspolitiker. Hinter ihm stehe der Chef der Präsidentengarde, Akmurat Redschepow. Dieser wurde noch von dem im Dezember verstorbenen Staatsführer Saparmurad Nijasow eingesetzt um alle Schaltstellen der Macht zu kontrollieren: Das Verteidigungs-, das Sicherheits- und das Innenministerium unterstehen ihm. "Dort sitzen überall Redschepows Leute. Und die verhindern heute jede freie Meinungsäußerung", kritisiert Hanamow. "Wer freie Wahlen fordert, den verfolgen sie und stecken ihn ins Gefängnis."

Auslandsstipendien statt Hungerhilfe

der turkeminsche Interimspräsident Gurbanguly Berdymuchammedow
Interimspräsident Gurbanguly Berdymuchammedow hat die besten Aussichten, neuer Präsident zu werdenBild: AP

Und Redschepows Leute räumen all jene aus dem Weg, die dem Regime in die Quere kommen, wie zum Beispiel kürzlich den Parlamentspräsidenten. Laut Verfassung hätte der nach Nijasows Tod übergangsweise die Staatsführung übernehmen müssen, er wurde aber unter mysteriösen Umständen verhaftet. Der an seiner Stelle inthronisierte Vizepremier Berdymuchammedow hat unterdessen einerseits angekündigt, den Kurs Nijasows fortzuführen, andererseits hat er aber einige Reformen versprochen. Bisher ist Turkmenistan nahezu komplett isoliert. Berdymuchammedow will nun Studenten im Ausland studieren lassen und einen freien Internetzugang im Land erlauben.

Doch das seien nichts als schöne Worte, warnt der Exilpolitiker Chudaiberdy Orazow, der seit einigen Jahren in Schweden lebt. "Die Politik Nijasows setzt sich fort: Es wird viel geredet, aber nichts getan. Turkmenistan befindet sich in einer katastrophalen Lage", erklärt Orazow. Die Führung müsse sich überlegen, wie sie Krankheiten bekämpft, anstatt sie totzuschweigen. Auch der Hunger im Land und die Auswirkungen von Umweltkatastrophen in einigen Regionen müssten thematisiert werden. "Das müssten die erste Schritte sein. Stattdessen reden sie von 100 Auslandsstipendien und Computerisierung", bemängelt der Exilpolitiker. "Das tun sie nur für das Ausland. Das hat nichts mit den tatsächlichen Bedürfnissen der Bevölkerung zu tun."

Exilpolitiker von Wahl ausgeschlossen

Orazow leitet von Schweden aus die oppositionelle Exilorganisation "Watan" (Heimat) und wurde von den Exilanten zum Oppositionskandidaten für die Präsidentenwahl am 11. Februar nominiert. Orazow wurde allerdings von der Zentralen Wahlkommission nicht zugelassen. Denn in Turkmenistan dürfen nur Personen kandidieren, die die letzten 15 Jahre im Land gelebt haben.

Orazow will deshalb den Kopf nicht in den Sand stecken. Er hofft auf die Unterstützung der westlichen Regierungen und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). "Wenn die internationale Gemeinschaft hart gegenüber Turkmenistan auftritt und ganz klar fordert, dass Turkmenistan einen demokratischen Weg einschlagen muss, dann müssen die jetzigen Machthaber das akzeptieren und freie Wahlen zulassen", fordert der Politiker. An diesen Wahlen könne er teilnehmen und gewinnen, so Orazow.

Delegierte der turkmenischen Wahlversammlung (26.12.2006)
Die turkemnische Wahlversammlung beriet bereits am 26.12.2006 über mögliche KandidatenBild: AP

Bisher aber hält sich das Ausland mit Kritik an der turkmenischen Führung zurück - übrigens auch die Bundesregierung, die für die Zeit ihrer EU-Ratspräsidentschaft eine Zentralasien-Strategie angekündigt hat. Den Exilanten Hanamow von der Republikanischen Partei wundert das. "Leider sehen wir, obwohl die EU und auch Deutschland als derzeitiger Ratsvorsitzender sehr viel Macht haben, keine aktiven Reaktionen", kritisiert Hanamow. "Die beobachten nur und warten ab, was passiert. Aber das ist falsch." Von selbst werde sich gar nichts ändern, betont der Turkmene. "Wenn die Wahlen so verlaufen, wie sich das jetzige Regime das vorstellt, dann wird es später nur noch schwerer, einen Wandel herbeizuführen."

Islamisten auf dem Vormarsch

Und noch eine Gefahr wachse, warnt Hanamow: Die des islamischen Fundamentalismus. Turkmenistan grenzt an Iran und Afghanistan. Schon jetzt gebe es im Land Zellen religiöser Fundamentalisten. "Anfangs waren diese Zellen nur in zwei Regionen an der Grenze zu Usbekistan; jetzt sind sie schon bis in die Nähe der Hauptstadt Aschchabad vorgerückt", schildert Hanamow. Einige Leute fänden deren Regime besser als das von Nijasow.

Dazu kommt ein gewaltiges Heer von Arbeitslosen. Nach Schätzungen internationaler Organisationen sind mehr als 60 Prozent ohne Arbeit. "Diese Leute fühlen sich von den gewaltigen finanziellen Mitteln der arabischen Extremisten angezogen, mehr noch als von deren religiöser Propaganda", befürchtet Hanamow. Dadurch gerieten sie in finanzielle Abhängigkeiten von religiösen Einrichtungen. "Wenn das Regime seinen politischen Kurs so weiterführt, dann wird sich der islamistische Extremismus immer weiter ausweiten", mahnt der Politiker.

Für die Exilpolitiker steht deshalb fest: Die internationale Gemeinschaft sollte entschiedener gegenüber der turkmenischen Führung auftreten.