1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Armstrong kann noch viel für den Sport tun"

André Leslie 31. Oktober 2014

Vor zwei Jahren erkannte der Radsport-Weltverband Lance Armstrong dessen sieben Tour-de-France-Siege wegen Dopings ab. Im DW-Gespräch äußert sich US-Chefdopingjäger Travis Tygart, der Armstrong zu Fall brachte.

https://p.dw.com/p/1DfIE
Travis Tygart. Foto: André Leslie/DW
Bild: DW/André Leslie

DW: Glauben Sie, dass es die Sportler wachgerüttelt hat, dass Lance Armstrong überführt und bestraft worden ist?

Travis Tygart: Der Betrug und die verbreitete Kultur des Dopings, in die viele Athleten, darunter auch Lance Armstrong, verwickelt waren, sind damals öffentlich gemacht worden. Ich denke, das war eine laute und kraftvolle Botschaft, dass die Rechte der nicht dopenden Sportler für wichtig genommen werden. Dass dann auch die Spitzenfunktionäre des Radsports abgelöst wurden, weil sie unfähig waren, für einen sauberen Sport zu sorgen und auch dann nicht reagierten, als man sie auf die Missstände aufmerksam machte, war eine deutliche Warnung an andere Sportfunktionäre. Aber die Botschaft an die nicht dopenden Sportler lautete auch, dass wir - Organisationen wie die USADA [US-Anti-Doping-Agentur], die NADA [Nationale Anti-Doping Agentur in Deutschland] und die WADA [Welt-Anti-Doping-Agentur] - für sie da sind und mit ihnen kämpfen. Hoffentlich überzeugt sie das, den richtigen Weg einzuschlagen. Wenn nicht, sollen sie aber wissen, dass sie jederzeit überführt und enttarnt werden können.

Es gibt immer noch Leute, die Ihnen eine Hexenjagd gegen Armstrong vorwerfen. Was sagen Sie zu dieser Kritik?

Nun, die Fakten sprechen eine komplett andere Sprache und unterstützen diese These nicht. Im Juni 2012 haben wir Lance Armstrong die selbe Gelegenheit wie allen anderen gegeben, zu uns zu kommen und an einer Lösung mitzuwirken. Sehen Sie sich unsere Presseerklärung von damals an! Wir haben den Sport aufgefordert, die Wahrheit offenzulegen und einen Prozess der Versöhnung einzuleiten. Damit hätte das US-Postal-Team verantwortlich gemacht werden können, für das auch ausländische Profis fuhren. Und auch andere Mannschaften im Peloton, die ziemlich raffiniertes Doping betrieben, hätten zur Rechenschaft gezogen werden können. Wir gaben Armstrong die Chance, mit uns zusammenzuarbeiten und sich mit uns im Dezember 2012 zu treffen. Das sind die Fakten, und diese sprechen gegen jede Art einer persönlichen Hexenjagd oder eines Rachefeldzugs.

Lance Armstrong bei seinem siebten Tour-de-France-Sieg im Jahr 2005. Foto: dpa-pa
Zwischen 1999 und 2005 gewann Armstrong siebenmal die Tour de France, alle Titel wurden ihm später aberkanntBild: picture-alliance/dpa

Vergessen wir nicht, dass er auch die Gelegenheit hatte, alle Beweise gegen ihn vor ordentlichen Richtern anzufechten, nicht vor der USADA. Diese Richter hätten jede mögliche Strafe aufheben können. Doch er hat auf Anraten seines Verteidigers freiwillig darauf verzichtet und die lebenslange Sperre akzeptiert. Er hätte nicht einmal aussagen, sondern nur die Strafe anfechten müssen. Wenn also noch irgendwer glauben sollte, Armstrong sei nicht fair oder anders als andere behandelt worden - er hatte eine legale Möglichkeit, Einspruch einzulegen und hat sie nicht gewählt.

Haben Sie und Armstrong seitdem noch einmal Kontakt gehabt?

Ja, und meine Mitarbeiter und ich hoffen, dass er noch einmal reinkommt und das Richtige tut. Ich denke, es gibt noch eine ganze Menge Gutes, das er für den Sport tun kann - aber auch für die Krebskranken in aller Welt. Wir wissen, dass der erste Schritt immer der schwerste ist. Hoffentlich ringt er sich irgendwann wie Tyler [Hamilton] und Floyd [Landis] durch und sucht den Kontakt zu uns. Es ist nicht so, dass wir täglich darauf warten. Aber sollte er sich doch endlich dazu entschließen, würden wir ihn mit offenen Armen empfangen.

Anfang 2015 tritt der neue Welt-Anti-Doping-Code in Kraft. Deutschlands Nationale Anti-Doping-Agentur muss dann eine Menge Dopingkontrollen übernehmen, die bisher von den einzelnen Sportverbänden durchgeführt wurden. Funktioniert das in den USA? Und werden dadurch Interessenkonflikte vermieden?

Ja, es hilft ganz praktisch dabei, die Unabhängigkeit zu wahren. Wir machen es in den USA bereits seit Ende 2000 so, als die USADA ihre Arbeit aufnahm. Anfangs, von 2001 bis etwa 2005, waren die Sportverbände darüber nicht gerade glücklich und beschwerten sich häufig. Aber wenn ich heute mit den Chefs der US-Verbände spreche, sagen sie mir immer, wie dankbar sie sind, dass wir die Dopingkontrollen übernommen haben. In den USA hatten viele dieser Sportverbände einfach nicht das nötige Fachwissen und testeten deshalb nicht auf die richtigen Substanzen. Jetzt können sich die Sportveranstalter auf das konzentrieren, was sie wirklich können: Sportereignisse zu organisieren und die Fans in die Stadien zu locken.

Travis Tygart ist seit September 2007 Chef der US-Anti-Doping-Agentur (USADA). 2012 brachte er Rad-Superstar Lance Armstrong zu Fall. Armstrong verlor wegen Doping alle sieben Tour-de-France-Titel und wurde auf Lebenszeit gesperrt.

Das Interview führte André Leslie.