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Türkei bestellt Österreich-Vertreter ein

15. August 2016

Eine Zeitungszeile wird zur Staatsaffäre: so geschehen am Wiener Airport. Die Türkei sieht ihr "Bild befleckt", und Österreichs Regierung muss den Kopf hinhalten - obwohl der Urheber ganz woanders sitzt.

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Druckzentrum der Kronenzeitung in Wien (Archivbild: dpa)
Pressionen aus Ankara: Druckzentrum der Kronenzeitung in Wien (Archivbild)Bild: picture alliance/chromorange/E. Weingartner

Wegen einer Schlagzeile auf Bildschirmen am Wiener Flughafen hat das türkische Außenministerium den österreichischen Geschäftsträger - also den Vertreter des Botschafters - einbestellt. Die Überschrift, wonach die Türkei Sex mit Kindern unter 15 Jahren erlaube, "befleckt das Bild der Türkei und ist falsch", sagte ein türkischer Diplomat. Die Schlagzeile gehörte zu einem Bericht der österreichischen "Kronenzeitung".

Österreichs Vertreter wurde den Angaben zufolge bereits am Samstagabend einbestellt. Das Außenministerium in Wien bestätigte dies der Nachrichtenagentur APA. "Wir nehmen die Reaktion der Türkei in der Angelegenheit zur Kenntnis, verweisen aber in dem Zusammenhang zugleich auf die Pressefreiheit", erklärte ein Ministeriumssprecher.

"Außerhalb unserer Verantwortung"

Die türkische Nachrichtenagentur Dogan meldet, der Flughafen habe die Schlagzeile nach der Beschwerde entfernt. Ein Sprecher des Airports sagte allerdings der APA, der News-Ticker sei "keine Einrichtung des Flughafens Wien". Der Ticker gehöre "der größten österreichischen Tageszeitung" und werde "von ihr verantwortet und mit Inhalten bespielt". Er falle somit nicht in die Verantwortung des Flughafenbetreibers.

Die "Kronenzeitung" hatte bereits am 3. August die Türkei verärgert - ebenfalls mit einer Schlagzeile, die in Wien über die Monitore lief. Wer in die Türkei reise, unterstütze Präsident Recep Tayyip Erdogan, hieß es damals.

Richterspruch zur Kinderehe

Die nun von Ankara monierte Schlagzeile bezog sich auf ein Urteil des türkischen Verfassungsgerichts: Dieses hatte im Juli einen Passus zur Ehemündigkeit im Strafgesetzbuch gekippt. Der sah vor, dass jeder Geschlechtsverkehr mit einem Kind unter 15 Jahren als "sexueller Missbrauch" betrachtet werden müsse. Zivilgesellschaftliche Gruppen hatten die Entscheidung scharf kritisiert.

Die schwedische Außenministerin Margot Wallström erklärte am Sonntag, die Entscheidung der türkischen Justiz müsse "zurückgenommen werden". Kinder brauchten "nicht weniger, sondern mehr Schutz vor Gewalt und sexuellem Missbrauch", schrieb sie im Kurznachrichtendienst Twitter.

Die Beziehungen zwischen der Türkei und Österreich sind seit dem gescheiterten Putsch Mitte Juli angespannt. Ankara warf Wien einen "radikalen Rassismus" vor, nachdem sich der österreichische Bundeskanzler Christian Kern für einen Abbruch der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei ausgesprochen hatte. Österreichs Verteidigungsminister Hans-Peter Doskozil verglich die Türkei wiederum mit einer "Diktatur".

jj/mak (afp, rtr)