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Türkisches Dilemma

Wim Abbink3. März 2003

Nein, Jein, Ja?! Die Türkei will darüber beraten, wie doch noch US-Truppen im Land stationiert und damit umfangreiche US-Wirtschaftshilfen gesichert werden können.

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Der Druck aus Washington ist spürbarBild: AP

Die geplante Stationierung von US-Truppen in der Türkei für einen Krieg im Irak ist am Samstag (01.03.2002) am türkischen Parlament knapp gescheitert. Die erforderliche absolute Mehrheit wurde um vier Stimmen verfehlt. Für den Regierungsantrag hatten 264 Abgeordnete gestimmt, 250 votierten dagegen. Nötig wären 268 Ja-Stimmen der anwesenden Abgeordneten gewesen. Damit ist der Aufmarsch amerikanischer Truppen in der Türkei für eine Nordoffensive gegen den Irak zunächst in Frage gestellt.

"Wir alle müssen die Entscheidung des Parlaments respektieren", sagte Ministerpräsident Abdullah Gül nach der Abstimmung. "Das gebietet die Demokratie." Regierung und Partei würden über die neue Lage beraten. Noch unklar ist, ob die regierende Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) ein erneutes Votum anstreben wird.

Washington reagiert konsterniert

Aus US-Regierungskreisen verlautete am Sonntag, die USA seien über die Entscheidung des türkischen Parlaments enttäuscht. Die US-Regierung hat sich bereit erklärt, die Truppenstationierung mit einer massiven Wirtschaftshilfe zu flankieren. In den US-Regierungskreisen hieß es weiter: "Wir sprechen mit der türkischen Regierung über die nächsten Schritte im Geist einer starken Freundschaft und strategischen Partnerschaft zwischen unseren Ländern."

Die bilateralen Beziehungen zwischen den USA und der Türkei sind trotz des türkischen Parlamentsvotums gegen eine Stationierung von US-Truppen nicht in Gefahr. Dies habe US-Außenminister Colin Powell dem türkischen Ministerpräsidenten Abdullah Gül am Sonntag (2.3.2003) in einem Telefongespräch versichert, meldete die Nachrichtenagentur Anadolu unter Berufung auf das Büro des Regierungschefs. Powell habe die Beziehungen beider Länder als "stabil" bezeichnet und der Regierung für ihr Engagement in der Stationierungsfrage gedankt.

Die wirtschaftliche Zusammenarbeit solle uneingeschränkt fortgesetzt werden. Beide Länder würden weiter in Kontakt bleiben, um über die Zukunft Iraks zu beraten. Die türkische Regierung hatte gegen die Zusicherung von finanziellen Hilfen und Krediten von mehr als 20 Milliarden Dollar nach langwierigen Verhandlungen mit Washington in die Truppenstationierung eingewilligt. Die US-Armee wollte mit bis zu 62.000 US-Soldaten, 255 Kampfflugzeugen und 65 Hubschraubern in dem Land aufmarschieren.

Doppelbeschluss

Die türkische Regierung hatte ihre Unterstützung einer US-Militäroperation vor allem mit der Wahrung der "nationalen Interessen" der Türkei begründet. Um den Abgeordneten die Entscheidung zu erleichtern, hatte sie einen Doppelbeschluss eingebracht, der zugleich den Einsatz türkischer Soldaten vorsah. Diese sollten im Nordirak vor allem die Bildung eines Kurdenstaates unterbinden. Die dortigen Kurden hatten gedroht, gegen die Türken zu den Waffen zu greifen.

Antikriegsdemonstration
Demonstration gegen einen Irak-Krieg in AnkaraBild: AP

Während der Debatte der Abgeordneten demonstrierten rund 50.000 Menschen nahe dem Parlamentsgebäude gegen einen Irak-Krieg. Umfragen zufolge lehnen mehr als 80 Prozent der Türken eine militärische Lösung ab.