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Udo Ulfkotte: Gencode J

Detlev Karg28. Dezember 2001

Ein teuflisches Komplott ist es, das sich unter den Vorzeichen des Terrorismus und der biblischen Prophezeiung in diesem Buch andeutet. Eine ethnische Bombe soll selektiv Menschen ausrotten.

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Der Autor, Nahost-Kenner, Terrorismusexperte und Redakteur der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" hat damit nach acht Sachbüchern seinen ersten Thriller vorgelegt. Viele unerhörte und beklemmende Dinge ereignen sich in "Gencode J", und den Leser überkommt gelegentlich das ungute Gefühl, dass Ulfkotte endlich einmal Details seiner Recherchen unter dem Schirm der Fiktion veröffentlichen kann, die er sonst lieber für sich behält. Spannung ist auf jeden Fall garantiert, geht es doch um eine besonders perfide Art der Tötung, die an den Holocaust und die ethnischen Säuberungen auf dem Balkan erinnert: Nur bestimmte Menschen sollen ausgelöscht werden.

Buchcover: Udo Ulfkotte - Gencode J

In den Zeiten der Gentechnik geschieht dies logischerweise durch die "ethnische Bombe". Dahinter verbirgt sich eine Biowaffe, deren Krankheitserreger genetisch so verändert wurden, dass sie nur Menschen mit einem bestimmten Erbgut, einer bestimmten Volksgruppe etwa, töten. In diesem Fall sind es Pesterreger. Eine ethnische Säuberung ohne Blutvergießen wäre das Resultat.

Der Wunsch nach dem perfekten Völkermord

In dem vorliegenden Roman träumt eine Handvoll Israelis diesen ungeheuerlichen Traum. Ihr Protagonist heißt Abraham Meir und ist Europa-Chef des israelischen Geheimdienstes Mossad in Frankfurt. Dass Ulfkotte den biologischen Völkermord ausgerechnet Angehörigen jenes Volkes zuschreibt, deren Vorfahren dem Gas zum Opfer fielen, entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie. Unvorstellbar ist es wiederum auch nicht, denn der heimatliche Erzfeind, die Palästinenser, machen dem Staat Israel bis heute zu schaffen. Die Gewalt der vergangenen Jahrzehnte hat viele Einzelschicksale wie einen Abraham Meir hinterlassen, dessen Frau, wie sollte es anders sein, einem palästinensischen Selbstmordanschlag zum Opfer fiel. So entwickelte Meir seinen Racheplan: Warum sollten nicht endlich nur die "Auserwählten" überleben? Eine solche Gruppe existiert tatsächlich, jüdische Männer, die ein bestimmtes Gen in sich tragen und sich bis auf Moses‘ Bruder Aaron zurückführen.

Ein derartiger Massenmord auf leisen Sohlen würde die Existenz des Staates Israel jedoch nicht sichern, sondern beenden. Als die Vorgesetzten Abraham Meirs von dem Plan Wind bekommen, ist es beinahe schon zu spät. "Die Zeit ist reif für den Messias", das ist das biblisch verbrämte Signal zum Losschlagen für die Eingeweihten, deren Plan zum Teil gelingt. In einer Welt von Spionage und geheimer Aufklärung lassen sich Nachrichten jedoch nicht leicht übermitteln. In diesem Fall ist es eine verschlüsselte E-Mail. Auch Verschlüsselungen lassen sich indes knacken. In "Gencode J" besitzt eine deutsche Firma dieses Know-How, weshalb die israelischen Verschwörer alles daran setzen, die Firma und ihr Wissen zu kaufen und letztlich auch vor Mord nicht zurückschrecken.

Der Terror hat keine ständige Adresse

Seit dem New Yorker Anschlag vom 11. September haben die Menschen viel über den Terrorismus, seine Beweggründe und Strategien lernen müssen. Viel ist derzeit die Rede vom islamistischen Terror. Ulfkotte zeigt, dass der Schrecken aus jeder Richtung kommen kann, auch aus einem befreundeten Staat wie Israel. Und so gelingt den Verschwörern schließlich sogar ein Selbstmord- Flugzeugattentat auf den Felsendom, dem Symbol für die Palästinenser und die ganze arabische Welt. Ulfkotte hat den Roman nicht im Zeichen des 11. September geschrieben, woraus ersichtlich ist, dass ein Anschlag mit einem Flugzeug schon vorher denkbar und planbar war. Auch Osama bin Laden taucht in dem Buch bereits als Generalverdächtiger des Terrorismus auf. Dieser Name ist jedoch nur ein kleiner Hinweis auf das profunde und detailreiche Wissen um die Aktivitäten der Geheimdienste weltweit, an dem Ulfkotte uns in "Gencode J" teilhaben lässt. Dies tröstet den Leser auch darüber hinweg, dass die eigentliche Spannung und die Angst des Lesers vor dem großen Terroranschlag sich nach der Hälfte des Textes allmählich verliert, da Ulfkotte immer neue Details liefert und immer weitere Nebenschauplätze eröffnet.

Ulfkotte
Bild: dpa

Trotzdem ist Ulfkottes Roman ein lesenswertes und kurzweiliges Buch. Es liefert Informationen, die so nicht in der Zeitung stehen. Zumindest gibt es uns eine Vorstellung davon, wie der unsichtbare Krieg alltäglich geführt wird. Am Ende ist klar: Der Terror hat seine Heimat nicht in einem bestimmten Staat oder einer bestimmten Religion. Er wurzelt in der Intoleranz.

Udo Ulfkotte
Gencode J
Eichborn 2001
ISBN 3821808608
EUR 20,35