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Versöhnung statt Verfolgung

Daniel Pelz22. Mai 2008

Der Internationale Gerichtshof hat Haftbefehle gegen den ugandischen Rebellenführer Joseph Kony und seine Stellvertreter erlassen. Doch viele Menschen in Uganda lehnen dies als Einmischung ab - sie setzen auf Versöhnung.

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Mitglieder der Lord's Resistance Army (2006), Quelle: AP
Mitglieder der Lord's Resistance Army (2006)Bild: AP Photo
Joseph Kony, Quelle: AP
Joseph KonyBild: AP Photo

Mittlerweile ist Geoffrey Opiyo nicht mehr ganz so erstaunt, wenn er morgens freundlich begrüßt wird. Es gehört zum Alltag, so wie seine Arbeit auf dem Feld. Dabei ist er anders als die übrigen Bewohner des Vertriebenlagers Dino Camp im Norden Ugandas. Seit er 16 war kämpfte er als Kindersoldat zwangsweise bei den Rebellen der "Widerstandsarmee des Herrn". Die terrorisierten ganz Norduganda – auch die Bewohner des Dino Camps. Vor vier Jahren nahm ihn die ugandische Armee gefangen.

Angst vor Rache

Nach zwei Jahren in einem Rehabilitierungscamp kam er hierher. Mit der Angst, aus Rache von den Bewohnern des Dino Camps getötet zu werden. Doch dann erlebte er eine Überraschung. "Als ich in das Camp kam, sagten mir meine Verwandten und die übrigen Menschen, ich sollte keine Angst haben", erzählt er. "Sie würden keinen Kindersoldaten töten, weil wir ja nicht freiwillig entführt wurden, Waffen in die Hand nahmen und Menschen töteten. Als sie mich so willkommen hießen, beschloss ich, eine Jugendgruppe zu gründen."

Auch Lucy Aol wurde als Kind von der Lord's Resistance Army rekrutiert, Quelle: AP
Auch Lucy Aol wurde als Kind von der Lord's Resistance Army rekrutiertBild: AP

Und mit den anderen aus der Jugendgruppe arbeitet Geoffrey Opiyo jeden Morgen auf dem Feld. Grünes Gemüse sprießt aus der roten Erde, dazwischen steht der heute 25-jährige und hakt mit seiner Spitzhacke. Nur noch die vernarbten Schusswunden auf seinem rechten Bein und der traurige Blick seiner schwarzen Augen lassen erahnen, was er durchgemacht hat. Wenige Meter entfernt im Schatten eines Baumes sitzt Dick Odong. Er ist einer der Ältesten im Dino Camp. Um ihn herum stehen die strohbedeckten Rundhütten, außer dem Gegacker einiger Hühner und spielender Kindern ist es still.

Traditionelle Versöhnungsriten


Dick Odong kann sich aber gut an die Zeiten erinnern, in der Schüsse durch die Luft peitschten. Als die Rebellen angriffen, Kinder verschleppten und Frauen vergewaltigten. Wegen dieser Verbrechen sucht der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag den Rebellenführer Joseph Kony und seine Stellvertreter mit internationalem Haftbefehl. Doch Dick Odong ist nicht zufrieden. "Die Menschen hier verstehen gar nicht, was der Internationale Strafgerichtshof will, und ich glaube, Kony selbst weiß das auch nicht. Daher befürchten wir, dass der Strafgerichtshof dem Frieden mehr schadet als nützt", sagt er. "Wir wollen lieber traditionelle Versöhnungsriten praktizieren, die uns im Gegensatz zum Internationalen Strafgerichtshof eher helfen können, den Frieden in der Region wiederherzustellen."

Denn aus Angst, an das Gericht ausgeliefert zu werden, hat sich Joseph Kony bisher geweigert, einen Friedensvertrag zu unterschreiben. Wie Dick Odong bevorzugt die Mehrheit der Menschen in Norduganda traditionelle Versöhnungsrituale. Das ist das Ergebnis einer Studie, die die Psychologin und Ordensschwester Margaret Aceng von der Universität Gulu verfasst hat. Keine große Überraschung für die Expertin, die selbst aus Norduganda kommt.

Bitte um Vergebung


"Sie wollen Gerechtigkeit auf traditionelle Weise, weil die Gemeinschaft daran glaubt. Sie mögen die westliche Auffassung nicht, den Ansatz des Internationalen Strafgerichtshofes, die Täter zu verhaften", erklärt Margaret Aceng. "Denn traditionelle Gerechtigkeitszeremonien haben viele weitere Aspekte: Der eine ist Versöhnung, der andere einen Weg in eine bessere Zukunft zu weisen."

Im Gegensatz zu normalen Gerichtsverfahren muss der Täter In den traditionellen Zeremonien seine Verbrechen nicht nur gestehen. Er muss auch die Familie des Opfers um Vergebung bitten und ihr eine Entschädigung zahlen. Gerade solche Aspekte seien wichtig, meint Margaret Aceng. Denn der Krieg hat die traditionelle Gesellschaft in Norduganda tief gespalten. Sie zu einen sei nun oberste Priorität für die Menschen.

"Kony gehört zu diesem Land", sagt die Wissenschaftlerin. "Egal wie viel Unheil er angerichtet haben mag, er gehört immer noch zu dieser Gemeinschaft, zu dieser Gesellschaft. Wir wollen nicht, dass er hart bestraft wird, obwohl er grauenhafte Taten verübt hat." Diese Meinung teilt auch Dick Odong, der Dorfälteste aus dem Vetriebenenlager Dino. Es gibt nur eine Situation, in der er seine Meinung ändern würde, sagt er. Wenn Rebellenführer Joseph Kony den Friedensvertrag nicht unterschreibt und den Kampf wieder aufnimmt – dann gehöre er doch vor ein staatliches Gericht.