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"Uhrwerk-Orange" in Chişinău

13. Januar 2005

Die Opposition in der Republik Moldova befürchtet, dass der jetzige Präsident Vladimir Voronin mit Wahlbetrug seine Macht sichern will. Nun droht sie der kommunistischen Staatsmacht mit einem Ukraine-Szenario.

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In Moldova (hier: Hauptstadt Chişinău) wird am 6. März 2005 ein neues Parlament gewählt.Bild: dpa

Vor einem Monat hat die wichtigste oppositionelle Partei der Republik Moldova, die Nationale Christlich-Demokratische Partei, die symbolische Übernahme der Farbe Orange für ihre Wahlkampagne angekündigt. Seitdem ist die Hauptstadt Moldovas von Orange überflutet. Sogar die Autofahrer schließen sich dem neuen Trend an und befestigen orangefarbene Bänder an ihren Rückspiegel oder an ihre Radioantenne. Der amtierende kommunistische Präsident Vladimir Voronin nannte diese Bewegung bereits eine “grassierende Epidemie”.

Erster Betrugsverdacht

Eine Woche nach dem Start der Wahlkampagne kam schon der erste Betrugsverdacht gegen die Zentrale Wahlkommission auf. Die Opposition legte offen, dass die Machthaber es mit Hilfe einiger Mitglieder der Wahlkommission bereits erreicht haben, das Wahllogo der kommunistischen Regierungspartei, Hammer und Sichel, auf den Wahlzetteln an erster Stelle zu platzieren. Ein Detail, das bedeutender ist, als es auf den ersten Blick erscheinen mag, da in der Republik Moldova viele Wähler den Stempel immer noch auf den ersten Kandidaten der Wahlliste drücken, im Vertrauen darauf, dass der Kandidat an der Spitze der Liste mit Sicherheit der Beste ist – eine alte kommunistische Tradition. Das erklärt den juristischen Streit zwischen der regierenden Partei und der Opposition um diese Vorrangstellung auf den Wahlzetteln. Es ist zu erwarten, dass der Streit zugunsten der kommunistischen Machthaber entschieden wird. Trotzdem hat die Opposition in dieser Debatte einen Sieg errungen, da die Manipulation so augenscheinlich war, dass sie sogar von den Verfechtern des Kommunismus nicht übersehen werden konnte.

Drohung der Opposition

Aus diesem Anlass gaben die Führer der Christlich-Demokratischen Partei – Iurie Roşca, Vlad Cubreacov und Ştefan Secăreanu – eine Pressekonferenz, alle drei mit orangefarbenen Krawatten. Sie versicherten dem Präsidenten Voronin öffentlich, er werde im Falle eines erneuten Betrugs das Ukraine-Szenario nicht mehr vermeiden können. Iurie Roşca drohte, falls die Kommunistische Partei ihr Verhalten nicht ändere und den Bürgern der Republik Moldau nicht verfassungsgemäß ihr Recht gewähre, frei zu wählen und gewählt zu werden, sehe sich die Nationale Christlich-Demokratische Partei genötigt, Maßnahmen zu ergreifen. “Gesetzmäßige, friedliche, aber entschlossene Maßnahmen, um den Rücktritt der Regierung zu bewirken und eine neue Wahlkampagne zu organisieren, unter gleichen Bedingungen für alle Wahlkandidaten”, sagte er. Der Oppositionspolitiker warf der jetzigen kommunistischen Regierung vor, die Unabhängigkeit der Justiz liquidiert und sämtliche autonome Staatsorgane der Kommunistischen Partei untergeordnet zu haben.

Übernommene Symbole

Während der Pressekonferenz erhielten die Journalisten in ihren Pressemappen einen orangefarbenen Kalender, auf dem Iurie Roşca zuversichtlich lächelnd neben dem neu gewählten ukrainischen Präsidenten Wiktor Juschtschenko abgebildet ist. Auf der rechten Seite des Bildes – das Wahllogo der Christ-Demokraten: ein blaues Herz mit dem Wappen des moldauischen Fürsten Stefan des Großen und links davon der Slogan: “Aşa DA!” (So ist’s recht!), wobei DA zugleich die Abkürzung des Wahlslogans der Christ-Demokraten ist, “Dreapta Alegere”, auf Deutsch “Die rechte Wahl” - wie durch Zufall dasselbe Buchstabenspiel, das in Rumänien als “Dreptate şi Adevăr“ (Gerechtigkeit und Wahrheit) den Liberalen und Demokraten um den neuen Präsidenten Traian Băsescu den Wahlsieg bescherte.

Der Direktor des Vereins für Partizipative Demokratie in Chisinau, Igor Boţan, meint im Hinblick auf einen möglichen Einfluss der übernommenen Symbole aus der Ukraine und Rumänien, das Wahlergebnis in der Republik Moldova könne durchaus von den orangefarbenen Siegen in den Nachbarländern wesentlich beeinflusst werden. “Die oppositionellen Parteien haben das mobilisierende Potential der Symbole sofort erkannt und sehr prompt reagiert”, sagte er. Aus seiner Sicht stehen die Chancen für einen Sieg der Opposition besser als 2001, auch wenn die Position der Regierungspartei noch immer stark ist.

Keine Mehrheit für Kommunisten?

Gleichwohl fürchten die Kommunisten den Verlust der Macht. In der Republik Moldova wird der Präsident vom Parlament gewählt. Für seine Wiederwahl braucht Voronin die absolute Mehrheit der Abgeordnetenstimmen - mindestens 51 von 101. Die Kommunisten haben jedoch keine Chance, diese Mehrheit im Parlament zu erhalten. Das geht aus einer vertraulichen Umfrage eines unabhängigen US-Instituts hervor, deren Ergebnisse den Vorsitzenden der kandidierenden Parteien vorliegen. Nur drei Parteien haben danach überhaupt Chancen, ins Parlament einzuziehen – die Kommunisten, die Christ-Demokraten und der Zentrums-Wahlblock “Demokratisches Moldova”. Diesem Block wird in der Presse Moldovas nachgesagt, enge Beziehungen zum Kreml sowie auch zum separatistischen Regime in Tiraspol zu unterhalten.

Das künftige Parlament der Republik Moldova dürfte somit, unabhängig von seiner Farbe, ein Übergangsparlament ohne klare Mehrheiten werden. Unter solchen Umständen wäre eine Präsidentenwahl praktisch unmöglich - es sei denn, die Kommunisten könnten bis dahin die zögernde Zentrumspartei mit der Zusicherung von Ämtern auf ihre Seite ziehen.

Vitalie Călugăreanu, Chişinău,
DW-RADIO / Rumänisch, 12.1.2005