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Hoffnungen schwinden

Christoph Hasselbach25. August 2014

In Minsk wollen sich die Präsidenten Russlands und der Ukraine, Putin und Poroschenko, zu Gesprächen treffen, zum ersten Mal seit dem Frühsommer. Doch kaum jemand erwartet davon ein Ende des Konflikts.

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Wladimir Putin und Petro Poroschenko
Bild: picture-alliance/dpa

Das letzte Mal haben Wladimir Putin und Petro Poroschenko Anfang Juni kurz miteinander geredet. Das war anlässlich des 70. Jahrestags der Landung der Alliierten in der Normandie. Seitdem ist viel passiert, was die Atmosphäre weiter vergiftet hat: Die Kämpfe zwischen Separatisten und Regierungstruppen in der Ostukraine sind eskaliert. Russland hat eine Kolonne Lastwagen, angeblich mit Hilfsgütern, über die Grenze in die Ostukraine geschickt, ohne die ukrainische Regierung um Erlaubnis zu fragen. In Kiew glauben viele, dass die LKW auch Waffen an Bord hatten und dass es Moskau mit der Aktion nicht in erster Linie um Hilfe geht, sondern dass es damit die Separatisten unterstützt. Russland hat jetzt einen zweiten Konvoi angekündigt.

Die vielleicht schwerste Provokation kam am Sonntag (24.08.2014), als prorussische Separatisten gefangene ukrainische Soldaten durch die Straßen von Donezk trieben, ausgerechnet als die offizielle Ukraine den Tag der Unabhängigkeit von der Sowjetunion mit einer Militärparade feierte. Doch auch das Verhältnis zwischen Russland und der EU hat sich seit dem Juni deutlich verschlechtert: Die EU hat wegen der russischen Annexion der Krim und der Unterstützung der Separatisten umfassende Wirtschaftssanktionen verhängt, und Russland hat im Gegenzug ein Embargo über die meisten Lebensmittel aus EU-Staaten verhängt.

Ein Treffen wäre fast ein Wunder

Vor diesem Hintergrund grenzt es an ein Wunder, dass Poroschenko und Putin überhaupt in Minsk zusammenkommen - wenn sie zusammenkommen. Möglich wäre auch, dass sich beide gar nicht Auge in Auge gegenüberstehen werden, sondern nur über einen Vermittler miteinander reden. Allein sind die beiden Präsidenten ohnehin nicht. Vertreter der Eurasischen Zollunion, die aus Russland, Weißrussland und Kasachstan besteht, nehmen teil, außerdem für die Europäische Union die Außenrepräsentantin Ashton, Handelskommissar De Gucht und Energiekommissar Oettinger. Amanda Paul, Osteuropaexpertin bei der Brüsseler Denkfabrik European Policy Centre, glaubt nicht, "dass irgendjemand einen massiven Durchbruch von den beiden Treffen erwartet, doch es ist wichtig, dass die Kommunikationskanäle offen bleiben."

Kriegsgefangene werden vorgeführt Foto: picture-alliance/dpa
Provokation der Separatisten: "Parade" ukrainischer Gefangener in DonezkBild: picture-alliance/dpa

Zweifel an den Erfolgsaussichten sind auch darin begründet, dass beide Seiten offenbar bereits unterschiedliche Vorstellungen darüber haben, worum es in Minsk gehen soll: Poroschenko will nach eigenen Angaben vor allem über eine "Stabilisierung der Lage" im Osten der Ukraine reden, Putin geht es nach den Worten eines Sprechers um die sich verschlechternde humanitäre Situation dort. In Kiew und Brüssel haben viele allerdings den Verdacht, dass Putin das humanitäre Argument nur vorschiebt, um in der Ostukraine eingreifen und vielleicht sogar einmarschieren zu können. Doch Russlands Außenminister Lawrow hat kurz vor dem Treffen noch einmal versöhnliche Töne angeschlagen: "Wir sind zu jedweder diplomatischen Form bereit, solange es ein Ergebnis gibt."

Risse in Putins Zollunion

Die Rolle der EU in Minsk definiert sich nicht zuletzt durch die mitreisenden Kommissare: Energiekommissar Oettinger will versuchen, den Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine zu schlichten, der indirekt, weil die Ukraine Gastransitland ist, auch die EU betrifft. Handelskommissar De Gucht dürfte das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine erläutern, zu dem auch ein Freihandelsabkommen gehört. Er wird versuchen, den Russen zu erklären, dass die Ukraine handelspolitisch nicht zwischen Russland und der EU wählen muss. Moskau hatte dagegen die Ukraine vergeblich unter Druck gesetzt, sich für die Zollunion mit ehemaligen Sowjetrepubliken und gegen eine Hinwendung zur EU zu entscheiden. Die Grünen-Europaabgeordnete Rebecca Harms wünscht sich in Minsk unter anderem "Gespräche darüber, dass das Assoziierungsabkommen nicht Handel und Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und den Ländern der Eurasischen Union zerstören muss."

Die Teilnahme der beiden anderen Länder der Eurasischen Zollunion, Kasachstan und Gastgeber Weißrussland, könnten sogar einen Kompromiss erleichtern, findet Amanda Paul, weil sie "andere Vorstellungen" von der Zollunion hätten als die Führungsmacht Russland. Der CDU-Europaabgeordnete und Außenpolitiker Michael Gahler hofft außerdem, dass Putin erkennt, dass er mit seinem Verhalten "nicht nur Russland, sondern auch den anderen Staaten in seiner Zollunion schadet." Der russische Präsident solle aber nicht denken, die EU werde angesichts von Sanktionen und Gegensanktionen irgendwann mürbe werden. Ashton werde ihm im Gegenteil sogar sagen, dass "zur Not Sanktionen erweitert werden müssen, um ihn zur Vernunft zu bringen".

Die Rolle Merkels

In der Sanktionsfrage ist sich der Unionsabgeordnete Gahler mit seiner grünen Kollegin Harms einig, dass die Strafmaßnahmen moralisch richtig sind, dass es dabei sogar um die Glaubwürdigkeit der EU geht, aber auch, dass die EU mit ihnen etwas erreichen kann: "Die Sanktionen wirken", glaubt Harms und rät der EU zur Geduld. Von den EU-Vertretern in Minsk erwartet die Grünenpolitikerin, dass sie "im Konflikt mit Russland eindeutig die Parteinahme für die Ukraine gewährleisten".

Ukraine Unabhängigkeitstag 24.08.2014
Militärparade am ukrainischen Unabhängigkeitstag in Kiew am 14. AugustBild: Reuters

Bundeskanzlerin Merkel, die am Samstag Kiew besucht hat, werde in der Ukraine als eher russlandfreundlich wahrgenommen, so Harms, die zuletzt Ende Juli dort war: "Die Fotos von Merkel und Putin zusammen bei der Fußballweltmeisterschaft in Brasilien haben einen großen Schaden angerichtet." Es sei dort auch der Eindruck entstanden, "dass Deutschland die Entscheidungen zu Sanktionen immer erst dann unterstützt hat, wenn es schon wieder zu spät war". Insgesamt unterstützt sie aber die deutschen Vermittlungsbemühungen. Harms wünscht sich zwar wie Gahler, dass die EU selbst eine stärkere Rolle spielt. Andererseits meint der CDU-Abgeordnete Gahler, Merkel sei "nicht nur als deutsche Kanzlerin" nach Kiew gereist, sondern "im Namen aller anderer Europäer." Auch die Osteuropaexpertin Amanda Paul sieht Merkels Rolle durchweg positiv; die Kanzlerin sei "Hauptakteurin und Vermittlerin zwischen Russland und der Ukraine". Das geplante Treffen Putin-Poroschenko gehe wesentlich auf Merkel zurück.