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Ukraine: Gemeinsame Anstrengungen im Kampf gegen Menschenhandel

31. August 2006

Trotz Aufklärungskampagnen steigt die Zahl der Fälle von Menschenhandel in der Ukraine weiter. Regierungsvertreter und NGOs beraten gemeinsam weitere Maßnahmen – auch auf Anregung der deutschen evangelischen Kirche.

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Sexualsklaverei statt versprochener ArbeitBild: picture-alliance/ dpa

Der Weg in die Sklaverei kann mit einer solchen Anzeige beginnen: "Privater Club in Essen, Deutschland, bietet sympathischen jungen Frauen ab 20 Jahren Arbeit. Wir helfen Ihnen bei der Visums-Erteilung und der Arbeitsgenehmigung. Migration nach Deutschland ist möglich. Ihr minimales Gehalt – 3.000 Euro." Oder: "Schweizer Produzentenfirma sucht Tänzerinnen für die Arbeit in Nachtclubs der Schweiz und Liechtensteins. Alter - bis zu 30 Jahre, Verdienstminimum 3.000 Euro". Es ist leicht zu erraten, welche Art von Arbeit den jungen Frauen aus Osteuropa mit den Versprechungen auf ein hohes Gehalt angeboten wird.

Suche nach Auswegen

Jährlich antworten auf solche Anzeigen tausende junger Frauen aus der Ukraine, Russland und der Republik Moldau, meist aus ländlichen Gegenden. Statt wie versprochen als Tänzerin oder Kellnerin zu arbeiten, geraten sie in Eroscenter oder Bordelle. Ohne Ausweis und Entlohnung geraten sie in den Teufelskreis der Sexualsklaverei. Welche Möglichkeiten gibt es, diesen Kreis zu unterbrechen?

Fünf Tage suchen Juristen, politische Experten aus Osteuropa, Vertreter der EU und der Kirchen nach Antworten auf diese Fragen. Sie treffen sich in Kiew vom 30. August bis zum 4. September auf der 9. Europäischen Konferenz zum Thema Menschenhandel mit dem Schwerpunkt Frauenhandel. Jörn-Erik Gutheil, der für Ausländer- und Asylpolitik zuständige Landeskirchenrat der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR), sagt: "Wir halten es für ein Verbrechen, Frauen in dieser Weise zum Subjekt von Gelderwerb zu machen, ihnen ihre Identität zu rauben, sie in wirklich wörtlichem Sinne zu missbrauchen, um sie dann als wertloses Stück wieder in ihre Heimat zurück zu schicken. Es ist ein Menschenrecht, dass hier verletzt wird."

Ziel ist ein internationales Netzwerk

Jörn-Erik Gutheil hofft nicht nur auf einen reinen Erfahrungsaustausch mit NGOs und Regierungsvertretern, sondern auch darauf, im Rahmen der Konferenz konkrete Vereinbarungen zu treffen. Insbesondere strebt er an, ein internationales Netzwerk zu bilden, das den Menschenhandel bekämpft und jenen Frauen hilft, die schon als Sexualsklavinnen abgestiegen sind: "Wir glauben, es bedarf eines hohen Maßes an Aufklärung, vor allem für Jugendliche und für junge Frauen, um frühzeitig darüber aufgeklärt zu werden, dass der Reiz des Westens keineswegs so glorreich ist, wie ihnen vorgegaukelt wird. Man muss ihnen klipp und klar sagen, was sie wirklich erwartet. Zusätzlich muss man dafür Sorge tragen, dass die Opfer bei Rückkehr in ihr Heimatland aufgefangen und psychologisch betreut werden. Dies ist nötig, um das Erlebte zu verarbeiten, für sie wieder Arbeit zu finden und sie wieder einzugliedern."

Risiko Leichtsinnigkeit

Seit einiger Zeit führt die Ukraine Maßnahmen gegen den Menschenhandel durch. So beteiligt sich an der Lösung dieses Problems außer den NGOs auch das ukrainische Innenministerium. Wladymyr Smelyk von der Abteilung Menschenhandel-Prävention im Innenministerium betonte im Gespräch mit der Deutschen Welle, dass die Ukraine bereits erfolgreich Aufklärungsprogramme durchführe. Die jungen Frauen seien zwar über Menschenhandel und Sexualsklaverei informiert, glaubten aber nicht, dass es mit ihnen geschehen könne, berichtete der Vertreter des Innenministeriums: "Die Frauen gehen bewusst das Risiko ein. Fragen Sie eine beliebige Frau auf der Straße, und sie wird antworten: "Ja, ich weiß, was Frauenhandel ist, aber das hat mit mir nichts zu tun". Er geht davon aus, dass Leichtsinnigkeit der Hauptgrund dafür sei, dass trotz Aufklärungsprogrammen und guter Arbeit der Polizei die Zahl des Menschenhandels in der Ukraine ständig zunehme. Nach offizieller Verlautbarung wurden im laufenden Jahr 300 Opfer registriert. Smelyk zufolge ist die Dunkelziffer aber wesentlich höher.

Roman Goncharenko
DW-RADIO/Ukrainisch, 30.8.2006, Fokus Ost-Südost