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Ukraine: Opposition will Referendum über NATO- und EU-Beitritt

16. Februar 2006

In vielen ukrainischen Städten haben sich Initiativgruppen gebildet, die eine Volksbefragung über einen Beitritt der Ukraine zur EU und NATO anstreben. Dies sei aber nur eine PR-Aktion der Opposition, meinen Experten.

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Das Parlament in Kiew soll nicht allein entscheidenBild: Markian Ostaptschuk

In Pawlohrad, Energodar, Krasnoperekopsk, Nikopol, Berdjansk, Mohylewsk, Podilsk und Kotowsk sowie in mehreren anderen ukrainischen Bezirksstädten fordern Initiativgruppen eine Volksbefragung über einen möglichen Beitritt der Ukraine zur Europäischen Union und zur NATO.

Am bekanntesten ist die Initiativgruppe in der Stadt Energodar, im Gebiet Saporischschja. Dort lehnte Bürgermeister Iwan Morschtschawka ab, den Antrag auf Zulassung der Initiativgruppe an die Zentrale Wahlkommission des Landes nach Kiew weiterzuleiten. Das Vorgehen des Bürgermeisters gegen die Initiativgruppe, die Unterschriften für ein landesweites Referendum über einen möglichen EU- und NATO-Beitritt sammeln möchte, löste unter den Bürgern Energodars Empörung aus. Die Menschen beschlossen, eine unbefristete Protestaktion zu veranstalten. Mit Transparenten und Fahnen zogen sie vor das Rathaus. Das Verhalten des Bürgermeisters werten die Mitglieder der Initiativgruppe sowie Vertreter des oppositionellen Bündnisses "Ne Tak!" (So nicht!) als Verstoß gegen die Gesetze des Landes. Sie fordern inzwischen von der Staatsanwaltschaft, den Bürgermeister zur Verantwortung zu ziehen. Eine entsprechende Klage liegt dem Stadtgericht bereits vor.

"Ziel ist Destabilisierung"

Das Mitglied der Initiativgruppe, Switlana Petrowa, sagte im Gespräch mit der Deutschen Welle: "Wir haben Unterschriften gesammelt und fordern die Absetzung von Bürgermeister Iwan Morschtschawka. Wir sind der Meinung, dass eine solche Verachtung der Menschen nicht mit dem Bürgermeisteramt vereinbar ist."

Bürgermeister Morschtschawka meint hingegen, das alles sei nur eine Politik, mit der das Ziel verfolgt werde, die Lage zu destabilisieren. Gegen das Gesetz verstoßen habe er nicht. Morschtschawka stellte klar: "Der Bürgermeister ist nicht dafür zuständig, Anträge für ein Referendum weiterzuleiten. Jede Initiativgruppe hat das Recht, selbst einen solchen Antrag der Zentralen Wahlkommission vorzulegen, wenn sie die Verfassung und die entsprechenden Gesetze einhält."

Schwerpunkt im Osten der Ukraine

Unterdessen sind in der Ukraine bereits etwa 100 Initiativgruppen, die eine Volksbefragung über einen möglichen Beitritt der Ukraine zur EU und NATO fordern, zugelassen worden. Die meisten von ihnen befinden sich in der Ost- und Zentralukraine. Politikwissenschaftlern zufolge ist gerade in diesen Regionen, wo sich in der Sowjetzeit die Militärindustrie befand, die Haltung gegenüber der NATO und der EU traditionell ablehnend. Die Menschen dort seien über die heutigen Funktionen der NATO und EU schlecht informiert. Der Politologe Dmytro Kowalewskyj sagte der Deutschen Welle, dies nutzten diejenigen aus, die eine solche Volksbefragung initiierten. Dabei handele es sich vor allem um die "Vereinigte Sozialdemokratische Partei der Ukraine" und das Oppositionsbündnis "So nicht!".

Alles nur Wahlkampf-Taktik?

Bis zum 1. März müssten die Initiativgruppen mindestens drei Millionen Unterschriften zur Unterstützung eines Referendums sammeln. Die Aktivisten meinen, eine Volksbefragung sei notwendig, weil die neue ukrainische Staatsmacht die Interessen der Bürger missachte. Iwan Sajez, Abgeordneter der "Vereinigten Sozialdemokratischen Partei" betonte im Gespräch mit der Deutschen Welle: "An welchen Bündnissen und Blöcken sich die Ukraine beteiligt, muss das Volk entscheiden, und nicht eine handvoll Politiker, die nur daran interessiert sind, für sich persönlich Vorteile daraus zu schlagen."

Experten sind jedoch der Ansicht, dass es zu keinem Referendum kommen wird. Die Referendum-Initiativen seien eine PR-Maßnahme im Wahlkampf, mit der die Opposition einen Teil der Wähler im Osten und Zentrum der Ukraine auf sich aufmerksam machen möchte.

Olena Usenko, Kiew
DW-RADIO/Ukrainisch, 12.2.2006, Fokus Ost-Südost