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Telefonat soll Klarheit bringen

8. Februar 2015

Der ukrainische Präsident Poroschenko bekundet seine Bereitschaft zu einer Waffenruhe. Fruchtet also die neue Friedensinitiative? Es wäre wünschenswert - gibt es doch wohl deutlich mehr Todesopfer als bisher bekannt.

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Symbolbild - Gefechte in der Ukraine
Bild: Getty Images/AFP/D. Faget

Die deutsch-französische Friedensinitiative für die Ostukraine hat zunächst allerdings keine spürbare Annäherung zwischen Kiew und Moskau gebracht.

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz machten sich beide Seiten am Samstag weiter gegenseitige Vorwürfe und zeigten kaum Kompromissbereitschaft.

"Bereit für eine Waffenruhe"

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko zeigte sich allerdings offen für eine sofortige, bedingungslose Waffenruhe zwischen Regierungstruppen und Aufständischen in der Ostukraine. "Ich bin zu jeder Zeit bereit, eine vollständige, bedingungslose Waffenruhe zu verkünden, um die steigende Zahl an Opfern unter der Zivilbevölkerung zu stoppen", sagte er vor Journalisten. "Wir erhalten vollständige Unterstützung bei der Umsetzung dieses ukrainischen Wunsches von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande."

Die deutsche Kanzlerin und der französische Präsident waren am Donnerstag zunächst nach Kiew, am Freitag dann nach Moskau gereist, um mit Poroschenko und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über einen neuen Friedensplan auf Grundlage des Minsker Abkommens von September zu beraten.

Bringt das Vierer-Telefonat einen Durchbruch?

Am Sonntag wollen alle vier miteinander telefonieren. In der Telefon-Schalte soll ein
Fahrplan für einen Waffenstillstand und die Umsetzung eines Friedensplan verabredet werden. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte dem Ersten Deutschen Fernsehen, über einen Erfolg der Initiative würden die "nächsten zwei, drei Tage" entscheiden.

Nach Informationen des französischen Fernsehsenders France 2 sieht der Friedensplan eine entmilitarisierte Zone von 50 bis 70 Kilometer rund um die aktuelle Trennlinie vor. Die von Separatisten beherrschten Gebiete im Osten des Landes sollten eine relativ große Autonomie bekommen, berichtete der öffentlich-rechtliche Kanal unter Berufung auf Präsident François Hollande.

Poroschenko wies entsprechende Berichte jedoch umgehend zurück: "Ich weiß gar nichts von diesen Vorschlägen." Von deutscher Seite gab es keinen Kommentar dazu. Nach Angaben von France 2 räumte Hollande ein, dass der Plan noch nicht ausverhandelt sei. "Ich möchte keine Prognosen abgeben", sagte er.

Skepsis bei der Kanzlerin

Kanzlerin Merkel äußerte sich ebenfalls zurückhaltend zu den Chancen für eine Friedenslösung. "Auch nach den Gesprächen ist ungewiss, ob sie Erfolg haben", sagte sie. Man müsse den Versuch aber wagen. "Wir schulden es alleine schon den betroffenen Menschen in der Ukraine."

Poroschenko forderte den Westen erneut zu militärischer Unterstützung auf. Sein Land sei eine souveräne Nation und habe das Recht, sich zu verteidigen. "Wir haben im Laufe des Konflikts gezeigt, dass wir verantwortlich mit Waffen umgehen."

Merkel lehnte Waffenlieferungen, für die es auch in den USA Befürworter gibt, erneut grundsätzlich ab. "Militärisch ist das nicht zu gewinnen, das ist die bittere Wahrheit", sagte sie. US-Vizepräsident Joe Biden warnte, wenn Russland seinen Kurs weiterverfolge, würden die USA und hoffentlich ganz Europa dafür sorgen, "dass das mit Kosten verbunden ist".

Der russische Außenminister Sergej Lawrow entgegnete, sein Land sei eine friedliche Nation. "Was auf der Krim passiert ist, war die Ausübung des Rechtes auf Selbstbestimmung gemäß UN-Charta", sagte er mit Blick auf die Annexion der ukrainischen Schwarzmeerhalbinsel. Die Europäische Union und die USA hätten dagegen zu jedem Zeitpunkt der Krise Schritte unternommen, um den Konflikt weiter eskalieren zu lassen.

Bisher schon 50.000 Todesopfer?

Deutsche Sicherheitsexperten gehen nach einem Bericht der Zeitung "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" von deutlich mehr Todesopfern aus als offiziell angegeben. Bis zu 50.000 ukrainische Soldaten und Zivilisten könnten bei den Kämpfen im Osten der Ukraine bereits ums Leben gekommen sein, schreibt das Blatt. Nach heftigen Gefechten würden oft einstellige Totenzahlen gemeldet, obwohl es in Wirklichkeit dutzende Tote gegeben haben müsse, zitiert die Zeitung deutsche Fachleute.

Keine Entspannung im Kriegsgebiet

Sicher ist: Im Kriegsgebiet gibt es ungeachtet der jüngsten diplomatischen Bemühungen keine Hinweise auf eine Entspannung, im Gegenteil: Die ukrainische Armee bereitet sich auf eine neue Offensive der pro-russischen Separatisten vor. Die Rebellen hätten ihre Kämpfer zusammengezogen, um die Städte Debalzewo und die südöstliche Küstenstadt Mariupol anzugreifen, sagte ein Militärsprecher in Kiew. Zwischen Freitag und Samstag seien mindestens fünf ukrainische Soldaten getötet und 26 verletzt worden. In Donezk soll es Tote unter der Zivilbevölkerung gegeben haben.

In Debalzewo schlugen wieder Granaten ein. Debalzewo ist von strategischer Bedeutung, weil sich dort ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt befindet. Zudem liegt die Stadt zwischen den Rebellenhochburgen Luhansk und Donezk. Bislang wird Debalzewo von der ukrainischen Armee kontrolliert. Die Rebellen haben die Stadt allerdings von drei Seiten eingekesselt.

haz/se/gri ( dpa, rtr, afp)