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Ukraine wegen Timoschenko immer stärker unter Druck

26. April 2012

Die deutsche Kritik an der ukrainischen Führung wird lauter: Die Bundesregierung pocht auf die Freilassung der Oppositionspolitikerin Timoschenko. Und Bundespräsident Gauck lehnt eine Einladung auf die Krim ab.

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Protesttransparent gegen Timoschenko-Prozess im Parlament von Kiew (Foto:dpa)
Protest gegen Timoschenko-Prozess im ParlamentBild: picture-alliance/dpa

Im Fall Julia Timoschenko verschärft die deutsche Regierung schrittweise den Ton gegenüber der Führung in Kiew. "Die Bundesregierung fordert die Ukraine auf, alles zu unterlassen, was die Rechte von Frau Timoschenko verletzt. Sie benötigt dringend ärztliche Behandlung", sagte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger der Zeitung "Passauer Neue Presse". Der politische Druck auf die Ukraine, Menschenrechtsverletzungen zu unterlassen, werde zunehmen.

Leutheusser-Schnarrenberger erklärte, sie halte wenig von Aufrufen zum Boykott der bevorstehenden Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine."Wir müssen mit der Regierung in Kiew im Gespräch bleiben. Sonst werden wir nichts für Frau Timoschenko erreichen können", sagte die Ministerin. Die Fußball-EM werde zu einer genauen Beobachtung der Situation in der Ukraine führen.

"Recht auf ärztliche Behandlung"

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, verlangte die Freilassung der ehemaligen ukrainischen Regierungschefin. "Nach Aussagen von Ärzten ist sie weder vernehmungs- noch verhandlungsfähig", sagte Löning dem gleichen Blatt. Jeder Mensch habe das Recht auf einen fairen Prozess und ärztliche Behandlung. Schon aus humanitären Gründen müsse Timoschenko sofort freigelassen werden. Neben ihr seien zudem weitere Minister ihres ehemaligen Kabinetts "unrechtmäßig in Haft", sagte der FDP-Politiker. Regierungskritiker würden in offensichtlich politisch motivierten Prozessen abgeurteilt.

Timoschenko gilt als Opfer politischer Rachejustiz im Auftrag des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch. Sie hatte 2004 die gegen Janukowitsch gerichtete orangene Revolution angeführt. Die 51-Jährige war im Oktober wegen Amtsmissbrauchs in ihrer Zeit als Ministerpräsidentin zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Grund war ein im Jahr 2009 mit Russland geschlossenes Gasgeschäft, das der Ukraine einen Schaden in Millionenhöhe beschert haben soll.

Sorge um Timoschenko

Am vergangenen Freitag trat Timoschenko nach Angaben ihres Anwalts in einen Hungerstreik. Sie protestiert damit gegen ihre Haftbedingungen und eine gewaltsame Behandlung durch Gefängniswärter. Gegen Timoschenko begann vergangene Woche ein neuer Prozess. Dabei werden ihr Steuerhinterziehung und Betrug in ihrer Zeit als Chefin der Gasfirma UES in den 1990er Jahren vorgeworfen. Sie bestreitet alle Vorwürfe und hat erklärt, der Prozess sei politisch motiviert.

Gauck verweigert Ukraine-Besuch

Am Donnerstag gab das Bundespräsidialamt bekannt, dass Bundespräsident Joachim Gauck nicht an einem Treffen mit anderen Staatschefs in der Ukraine teilnehmen werde. Sein Sprecher Andreas Schulze sagte in Berlin, der ukrainische Botschafter sei informiert worden, dass Gauck nicht zum geplanten Treffen in Jalta auf der Krim reisen werde. Diese Entscheidung sei "in engem Benehmen" mit der Bundesregierung gefallen.

Im Präsidialamt wird darauf hingewiesen, dass es sich nicht um eine Absage handelt, sei doch die Teilnahme an dem Treffen nie zugesagt gewesen. Hintergrund ist offenbar die tiefe Besorgnis der Bundesregierung über den Umgang der Ukraine mit Timoschenko. Ob Gauck anlässlich der Fußball-Europameisterschaft in die Ukraine fahre, sei noch nicht entschieden, erklärte sein Sprecher.

Bundespräsident Joachim Gauck will nicht auf die Krim reisen (Foto: dapd)
Bundespräsident Joachim Gauck will nicht auf die Krim reisenBild: dapd

Ein unmissverständliches politisches Warnsignal an Kiew kommt derweil auch aus dem deutschen Parlament. "Das Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine ist erst paraphiert", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz, dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Ob es in Kraft treten könne, hänge auch davon ab, "ob die Regierung in Kiew sich im Fall Timoschenko bewegt und eine angemessene medizinische Betreuung in Deutschland oder einem anderen Land ermöglicht."

kle/rb (afp, dpa, rtr)