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Risiko ukrainische Polizei?

Zakhar Butyrskyi7. Juni 2012

Bei der Fußball-EM setzt die Ukraine auf die Anziehungskraft neu gebauter Bahnhöfe, Flughäfen und Stadien. Wie aber steht es um die Sicherheit der Fans? Gefahr droht ausgerechnet von den eigenen Sicherheitsbehörden.

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Ukrainische Polizisten in Paradeunform bei einer traditionellen Inspektion in Kiew. (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

"Die ukrainischen Sicherheitskräfte stellen eine wirkliche Gefahr für die Fans bei der EM 2012 dar", meint Max Tucker. Der Vertreter von Amnesty International hat die Ukraine im Vorfeld des Megaevents bereist. "Die ukrainischen Behörden haben viel über Polizei-Übungen erzählt. Doch schauen wir auf die jüngsten Vorfälle, so haben Polizeibeamte Fußballfans angegriffen, zusammengeschlagen oder mit Elektroschocks eingeschüchtert. Das haben wir in den letzten Wochen erlebt."

Zwei ukrainische Polizisten stehen neben ihrem Fahrzeug. (Foto: dpa)
Bestechliche Polizisten könnten zum Problem für Ausländer in der Ukraine werdenBild: picture-alliance/dpa

Polizisten als Risikofaktor

Amnesty habe in der Ukraine "zahlreiche Beispiele" für rechtswidrige Taten ukrainischer Polizisten gegenüber Einheimischen und Ausländern dokumentiert. Sie sollen Menschen unter Druck gesetzt oder sogar verprügelt haben, um Geld zu erpressen. Der Fußballevent sei eine "gigantische Versuchung" für Polizisten und Zollbeamte, Ausländer auszuplündern, glaubt der Menschenrechtler Tucker.

Gleichzeitig versuchen die ukrainische Regierung und das staatliche EM-Organisationskomitee, die Öffentlichkeit in Europa zu beruhigen. Man sei auf alle möglichen Risiken vorbereitet. 7000 Polizisten würden täglich die Sicherheit in den Gastgeberstädten überwachen. Für die Koordinierung der Maßnahmen ist nicht allein das Innenministerium, sondern auch der Nationale Sicherheitsrat zuständig. Staatspräsident Viktor Janukowitsch hat seinen Ministern auf der jüngsten Sitzung des Sicherheitsrates aufgetragen, ein sicheres Klima im Land zu schaffen. Vizepremier Boris Kolesnikow versicherte, man habe dafür die Erfahrungen bei der EM 2008 in Wien sowie bei der WM 2010 in Johannesburg im Detail analysiert.

Bombenexplosionen vor der EM

Doch das Land könnte schnell überfordert sein. Am 27. April, gerade einmal anderthalb Monate vor dem Anpfiff der Europameisterschaft, detonierten Sprengsätze in der Ostukraine. Viele Menschen wurden dadurch verletzt. Die Serie von Explosionen in Abfalleimern im Zentrum der Millionenstadt Dnipropetrowsk hat nicht nur die ukrainische, sondern auch die westeuropäische Öffentlichkeit verunsichert. Inzwischen hat die ukrainische Polizei vier Verdächtige festgenommen. Generalstaatsanwalt Viktor Pschonka sagte, das Verbrechen werde als terroristischer Anschlag gewertet.

Srrassenszene mit Verletzten nach einer Bomben-Explosion in Dnipropetrovsk am 27. April 2012. (Foto: REUTERS)
Bombenexplosionen in Dnipropetrowsk sorgten kurz vor der EM für BeunruhigungBild: Reuters

Angst vor ukrainischen Hooligans

Aber es gibt auch andere Risiken im Bereich der Sicherheit. So könnten gewalttätige Fans das Bild des fröhlichen Fußballfests beeinträchtigen. Der englische Fußballverband meldete vor einigen Wochen, das reservierte Kartenkontingent sei nur zur Hälfte von den Fans abgerufen worden. Das habe mit den überteuerten Hotelunterkünften zu tun, hieß es zur Begründung. Es könnte aber auch ein Zeichen mangelnden Vertrauens der englischen Fans in die Sicherheitslage in der Ukraine sein.

Nach Berichten britischer Medien über gewalttätige Hooligans in der Ukraine fürchten vor allem Fußballer afrikanischer oder asiatischer Abstammung rassistische Übergriffe. Einige dunkelhäutige Spieler der England-Auswahl erklärten bereits öffentlich, ihre Familienmitglieder würden die EM sicherheitshalber von zu Hause aus verfolgen. Sogar die britische Regierung hat im Vorfeld der EM Warnungen ausgesprochen. Fußballfans afro-karibischer oder asiatischer Abstammung sollten in der Ukraine besonders vorsichtig sein, hieß es in London.

Die Fußball-EM steht in der Ukraine unter keinem guten Stern. Zum Fall Timoschenko kommt die wachsende Sorge über rassistische Übergriffe während der Spiele Schlagwörter: Fußball, Europameisterschaft, Ukraine, Rassismus, Fans, Ausschreitungen
Gewalttätige Fans sind in der Ukraine eine unterschätzte GefahrBild: DW

Die ukrainische Regierung weist solche Warnungen zurück. Auch die in der Ukraine lebende Rassismus-Forscherin Mridula Gosch teilt die Sorgen aus dem Ausland nicht: "Sowohl in der Ukraine als auch in Polen gibt es einige rassistische Gruppierungen, die versuchen, unter der Bevölkerung Stimmung gegen dunkelhäutige Spieler und Fans zu machen. Aber diese Gruppen sind in Wirklichkeit nicht zahlreich. Die Polizei wird sie im Griff haben."

Ausweis immer bei sich haben

Erste Probleme könnte es für Fußballfans schon bei der Einreise geben. Wer häufig mit dem Auto in die Ukraine fährt, der weiß, dass man sich an der Grenze in der Regel auf eine langwierige Abfertigung einstellen muss. Diese Zeit kann manchmal verkürzt werden, wenn der zuständige Grenzpolizist ein Schmiergeld von zehn bis 50 Euro erhält. Andernfalls kann die Wartezeit bis zu zwölf Stunden betragen, ohne dass dafür ein Grund erkennbar wäre. Das haben deutsche Journalisten kürzlich am eigenen Leib erfahren und darüber berichtet.

Auch sprachlich könnte es Schwierigkeiten mit ukrainischen Sicherheitsbeamten geben. Denn nach wie vor können ukrainische Polizisten kaum Englisch. Und das trotz der extra für die EM organisierten Sprachkurse für tausende Beamte. Auch im Umgang sind ukrainische Polizisten in der Regel nicht besonders zimperlich. Ein freundliches Lächeln gehört nicht unbedingt zu den Tugenden, die ukrainische Polizisten in der Ausbildung verinnerlichen.

Max Tucker von Amnesty International gibt außerdem folgenden Rat: "Wir empfehlen allen ausländischen Fans, ihre Pässe immer mit sich zu tragen, für den Fall, dass sie plötzlich festgenommen werden. Es ist üblich, von Ausländern Schmiergelder zu verlangen. Und sie sollten auch die Telefonnummern ihrer Botschaften dabei haben, weil sie sich nicht auf die ukrainische Justiz verlassen können, sollten sie in Schwierigkeiten geraten."