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Umfassender Schutz des Lebens - von Anfang an

25. April 2002

Die beiden großen Kirchen in Deutschland sind sich einig: Der Schutz des Lebens, vom natürlichen Beginn bis zum natürlichen Tod, gebietet die strikte Ablehnung des Imports embryonaler Stammzellen.

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Kölner Kardinal Joachim MeisnerBild: AP

Gemeinsam brachten sie bereits 1989 die programmatische Schrift "Gott ist ein Freund des Lebens" heraus. Darin heißt es: "Die Würde des menschlichen Lebens verbietet es, dass es bloß als Material und Mittel zu anderen Zwecken genutzt und - erst recht - gar nur erzeugt wird." Nach jüdisch-christlichem Glauben liegt die Unverfügbarkeit des Menschen darin, dass er nach dem Bild Gottes geschaffen wurde. Über die religiösen Begründungen hinaus berufen sich die Kirchen aber auch auf ethische Grundeinsichten.

"Überzählige" Embryonen

Zur anstehenden Entscheidung des Bundestages wandten sich die Deutsche Bischofskonferenz und der Rat der EKD in der vergangenen Woche an alle Parlamentarier und forderten "ein klares Votum für die Würde und den Schutz des Menschen von Anfang an". Auch dem künstlich erzeugten Embryo komme "Lebensrecht und uneingeschränkter Lebensschutz vom Zeitpunkt der Befruchtung an" zu. Forschungsmethoden, die eine "Vernichtung embryonaler Menschen" beinhalten, seien "inakzeptabel". Diese Würde erstreckt sich für die Kirchen auch auf die so genannten "überzähligen Embryonen", die aus unterschiedlichen Gründen an ihrer Weiterentwicklung gehindert sind.

Bei der Festsetzung des Beginns menschlichen Lebens folgte die katholische Kirche jeweils den Erkenntnissen der Wissenschaft. Thomas von Aquin setzte - Vorstellungen des Aristoteles folgend - die Beseelung beim männlichen Embryo nach 40 und beim weiblichen nach 80 Tagen an. Mit den Fortschritten in der Embryologie und der Entdeckung der weiblichen Eizelle legte Papst Pius IX. 1869 fest, dass die Beseelung gleichzeitig mit der biologischen Entstehung des Embryos erfolge. Ausgangspunkt ist damit jene Zäsur, an der durch die Verschmelzung von Samen- und Eizelle etwas völlig Neues entsteht. So betont die Kirche, dass sich der Embryo nicht "zum" Menschen, sondern stets "als" Mensch entwickle, da er alles zur Ausgestaltung des Menschen Notwendige besitze.

"Ethische Wanderdüne"

Ein Import von Stammzelllinien ist nach kirchlicher Auffassung zu verwerfen, weil zu ihrer Herstellung bereits zahlreiche Embryonen getötet wurden. Die Einfuhr bedeute eine rückwirkende Rechtfertigung der Tötung. Außerdem stelle selbst eine Stichtagsregelung, nach der nur Stammzelllinien eingeführt werden dürfen, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt hergestellt wurden - um weitere Tötungen auszuschließen -, einen Dammbruch dar. Der Kölner Kardinal Joachim Meisner sprach von einer "ethischen Wanderdüne".

Manfred Kock
Manfred Kock, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in DeutschlandBild: AP

Abweichende Bewertungen nehmen allerdings einige protestantische Theologen vor. So betonten neun evangelische Ethiker in einer gemeinsamen Erklärung, nicht "ein pauschales Forschungsverbot" sei eine angemessene Antwort, "sondern das Bemühen um Differenzierung und Abwägung von Alternativen". Als "Kompromiss" schlugen sie die Forschung an "überzähligen" oder "verwaisten" Embryonen vor, was bislang durch das Embryonenschutzgesetz verboten ist.

Zu den "wünschenswerten Therapie- oder Heilungsmöglichkeiten für schwere Erkrankungen", betonen EKD wie Bischofskonferenz, dass diese nicht losgelöst von den Methoden gesehen werden dürften, mit denen man sie entwickelt. So fordern sie die Unterstützung alternativer Wege wie die Forschung an adulten Stammzellen. Schließlich weisen viele Bischöfe auf die gesellschaftlichen Konsequenzen hin, die sich aus derartigen Grundentscheidungen ergäben. So warnte Meisner vor einer "Umkehr des abendländisch-christlichen Menschenbildes, das gerade die kleinsten, schwächsten und hilflosesten Menschen der besonderen Sorge von Staat und Gesellschaft anvertraute". (Christoph Scholz, KNA / wga)