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Umstrittene internationale Strafgerichtsbarkeit

24. September 2010

Ob in Kenia, Darfur oder Norduganda - die Verantwortlichen für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen sind noch nicht verurteilt. Die Internationale Strafgerichtsbarkeit soll das ändern.

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IStGH (Bild: dpa)
Hoch hinaus mit internationaler Strafgerichtsbarkeit? Der IStGHBild: picture-alliance / dpa

An dem wohl prominentesten Fall des Haager Tribunals scheiden sich die Geister: Seit dem Haftbefehl gegen den sudanesischen Präsidenten Omar Al-Bashir sei die Internationale Strafgerichtsbarkeit nicht mehr das, was sie einmal war, meint der Göttinger Völkerrechtler Kai Ambos. Der Fall Bashir habe Afrika gespalten, sagt er. "Wir haben einen klaren Paradigmenwechsel mit der Anklage Bashirs. Dabei ist es höchst fragwürdig, ob man die Handlungen an der Zivilbevölkerung überhaupt dem Staatsoberhaupt anlasten kann."

Al-Bashir (Bild: dpa)
Mutmaßlicher Kriegsverbrecher: Omar Al-BashirBild: picture alliance / abaca

In einem Reflex der Solidarität habe sich die Afrikanische Union hinter Bashir gestellt. Und solange der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag (IStGH) ausschließlich Anklage gegen Afrikaner erhebe, werde sich daran auch nichts ändern, ist Ambos überzeugt. So provozierte Bashir die internationale Gemeinschaft erst kürzlich mit seinem Besuch in Kenia - ohne jegliche Konsequenzen. Dabei hat Kenia die Statuten des Haager Tribunals unterzeichnet.

Festnahme mit Folgen?

Der kenianische Diplomat und Friedensaktivist Bethuel Kiplagat versteht, warum Bashir nicht verhaftet wurde: "Ich bin kein Sympathisant von Bashir, oder gegen seine Festnahme. Aber Politik spielt immer eine Rolle. Das kann man nicht leugnen. Man kann nicht sagen, 'wir sind ganz allein in der Welt'. Ich weiß, die Festnahme Bashirs könnte die Situation noch verschlimmern. Ein Blutbad anrichten, vielleicht sterben noch mehr Menschen." Viele Menschenrechtler folgen dieser Argumentation.

Hartwig Fischer (Bild: DW)
Hartwig FischerBild: DW

Ein diplomatischer Schachzug mit fatalen Folgen, warnt der Afrika-Experte der CDU/CSU-Fraktion, Hartwig Fischer. "Gibt es dann noch Gleichheit vor dem Recht - wenn ich bei dem einen sage, er hat nachweislich gemordet und derjenige der Staatspräsident ist, der wird nicht nach gleichem Recht behandelt?", fragt Fischer provokant. "Ich glaube, wir stürzen damit die Menschen in den betroffenen Ländern in eine absolute Ungewissheit."

Bestrafung heilt keine Traumata

Der Haftbefehl stellt Juristen und Menschenrechtler gleichermaßen vor die Frage: Was kann internationale Strafgerichtsbarkeit ausrichten? Wie weit darf sie gehen? In Post-Konfliktstaaten müsse Gerechtigkeit viel weiter gehen, als nur die Täter zu bestrafen, meint Bethuel Kiplagat. Als Leiter der Wahrheits-, Gerechtigkeits-, und Versöhnungskommission in Kenia erfährt er täglich, was es heißt, wenn tausende Menschen massive Verletzungen erfahren haben. Und was es heißt, wenn Täter und Opfer Tür an Tür leben. Trotzdem fragt er: "Wie sollen zwei oder drei Politiker, die nach Den Haag überstellt werden, den Familien in Afrika helfen? Wir müssen eine Form finden, darüber zu reden." Nur so könnten traumatisierte Menschen emotional und psychisch geheilt werden, sagt Kiplagat. "Dieser Heilungsprozess kann nur im Land selbst geschehen. Das kann nicht aufgezwungen werden. Da draußen sind Tausende, die leiden."

Autorin: Stefanie Duckstein
Redaktion: Christine Harjes