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Auf Konfliktkurs

10. Mai 2007

Scharfe Worte zum Thema Abtreibung haben den ersten Tag des Besuchs von Papst Benedikt XVI. in Brasilien überschattet. Beim Treffen mit Präsident Lula wurde das Thema ausgeklammert.

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Habe ich recht gehört? Benedikt XVI und Präsident Lula. Quelle: AP
Habe ich recht gehört? Benedikt XVI und Präsident LulaBild: AP

Viel Glück hat der Papst bei seinen Auslandsreisen nicht. Waren es im bayerischen Regensburg Äußerungen zum Thema Islam und Gewalt, so sind es diesmal in Brasilien seine Worte zum Thema Abtreibung, die Empörung auslösen. Dabei gilt doch Brasilien als das katholischste Land der Erde. Statt jubelnder Massen sieht sich Benedikt XVI. nun leidigen Debatten gegenüber.

"Nicht vereinbar mit der Kommunion"

Die größte brasilianische Zeitung "O Globo" titelte am Donnerstag (10.5.): "Papst unterstützt Exkommunikation der Pro-Abtreibungs-Politiker." Benedikt hatte auf dem Flug nach Brasilien vor Journalisten zur Liberalisierung des Abtreibungsrechts in Mexiko-Stadt und Brasilien Stellung genommen. Unter Berufung auf das Kirchenrecht sprach er sich dabei für den Ausschluss von katholischen Abgeordneten aus, die in Mexiko für die Legalisierung der Abtreibung gestimmt haben. "Das Töten von unschuldigen Kindern ist nicht vereinbar mit der Kommunion", sagte Benedikt.

Benedikt XVI beim umstrittenden Interview im Flugzeug. Quelle: AP
Benedikt XVI beim umstrittenden Interview im FlugzeugBild: AP

Die Begrüßung des Papstes viel dann auch nicht sonderlich freundlich aus: Lediglich etwa zehntausend Menschen jubelten bei kühlem Wetter und Nieselregen dem Kirchenoberhaupt zu, als er nach seiner Ankunft am Mittwoch (Ortszeit) durch die Straßen der 20-Millionen-Metropole Sao Paulo fuhr. Auch auf dem Flughafen bereitete Staatspräsident Luiz Inacio Lula da Silva dem Gast nur einen kurzen Empfang ohne die ansonsten üblichen Nationalhymnen.

"Wenn Männer schwanger würden"

Kurz vor einem Treffen des Papstes mit Lula am Donnerstag in Sao Paulo äußerte sich Gesundheitsminister Jose Temporao empört. "Man darf nicht einer ganzen Gesellschaft Dogmen und Gebote einer bestimmten Religion aufzwingen wollen. Das ist unangebracht", sagte Temporao. Vielmehr sollte man in Sachen Abtreibung in erster Linie hören, was Frauen zu sagen hätten. "Wenn Männer schwanger würden, hätten sie eine andere Meinung zu dem Thema." Offenbar um eine Ausweitung des Streits zu vermeiden, wurden Pläne zur Liberalisierung des Abtreibungsgesetzes beim Gespräch des Papstes mit Lula ausgeklammert. Derzeit ist in Brasilien ein Schwangerschaftabbruch nur erlaubt, wenn die Frau vergewaltigt wurde oder ihr Leben in Gefahr ist. Schätzungen zufolge gibt es aber über eine Million illegaler Abtreibungen pro Jahr.

Schwindende Basis

Ein weiteres Konfliktthema sind Übertritte von Katholiken zu protestantisch-evangelikalen Freikirchen. Brasilien gilt weltweit als das Land mit den meisten Katholiken, allerdings leidet die Kirche seit Jahrzehnten an massiver Abwanderung der Gläubigen. In Brasilien sind laut Umfragen nicht einmal mehr zwei Drittel der knapp 190 Millionen Einwohner katholisch. Dennoch zeige auch die Verbreitung des Protestantismus, dass die Menschen nach Gott dürsteten, erklärte Benedikt. Auf der Generalkonferenz der lateinamerikanischen und karibischen Bischöfe im Wallfahrtsort Aparecida werde er eine Strategie vorstellen, die auf diese Herausforderung eingehe, sagte der Papst. "Wir müssen dynamischer werden."

Während des Besuchs in Brasilien waren zwei Messen unter freiem Himmel geplant, zu denen mehr als eine Million Gläubige erwartet werden - passend zu den Diskussionen ist allerdings das Wetter zurzeit schlecht. Am Freitag werden eine Million Menschen zu einer Messe auf dem Flughafen von Sao Paulo erwartet. Dabei will Benedikt den Franziskaner-Mönch Antonio Galvao heilig sprechen. Weitere 350.000 Gläubige werden zur zweiten Messe am Sonntag in Aparecida erwartet. (sams)