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Werften werden Öko

7. September 2010

Internationale Auflagen und Kundenwünsche zwingen Werften und Zulieferer auf Öko-Kurs. Auf der weltgrößten Schiffmesse SMM in Hamburg steht der Umweltschutz erstmals ganz oben.

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Die Brilliance of the Seas, ein Traumschiff der Meyer Werft in Papenburg, bei der Überführung durch das Emsland in die Nordsee. Bild: dpa
Bild: dpa

"Die Bedeutung des Umweltschutzes ist während dieser SMM das herausragende Thema", sagt Bernard Meyer, Chef der Papenburger Meyer Werft. Um gleich hinzuzufügen: "Und das wird so bleiben!"

Auf der weltgrößten Schiffbaumesse in Hamburg, der "shipbuilding, machinery & marine technology", kurz SMM, präsentieren bis Freitag (10.09.2010) mehr als 2000 Aussteller aus 58 Nationen ihre Ideen für einen sauberen Schiffsverkehr. Damit wollen sie nicht nur der staatlich subventionierten Billigkonkurrenz vor allem aus China die Stirn bieten. Mit dem Kurswechsel folgen die deutschen Reeder internationalen Auflagen und den Wüschen der Kunden.

Ökologischer Fußabdruck

Modellschiffe aus Holz liegen in der Hamburgischen Schiffbau-Versuchsanstalt (HSVA). Auf der Suche nach spritsparenden Mitteln basteln Ingenieure an neue Ideen oder besinnen sich auf alte Techniken. Foto: ap
Versuchsmodelle für den ökologischen SchiffbauBild: AP

Immer mehr Reeder legen Wert auf ihren Footprint – ihren ökologischen Fußabdruck – mit dem sie offensiv werben. Für den Chef des größten deutschen Schiffbauunternehmens, Bernard Meyer, eine Win-Win-Situation. Von der Hochtechnologie im Umweltschutz profitierten beide Seiten gleichermaßen: Werften und Kunden. In der Branche gilt: Nur wer jetzt forscht und neue Komponenten für den Umweltschutz liefert, wird auf Dauer zu den Gewinnern zählen.

Öko vielfach unbezahlbar

Bislang galt Umweltschutz im Schiffbau als "nice to have": schön – aber vielfach unbezahlbar. Neue internationale Regeln lassen der Branche nun aber keine Wahl mehr. Ein aktuelles Beispiel: Derzeit dürfen Schiffsabgase auf offener See 4,5 Prozent Schwefel enthalten. Bis 2020 sinkt die Obergrenze auf 0,5 Prozent. Die Vorgaben für Nord- und Ostsee sind mit 0,1 Prozent bis 2015 wesentlich schärfer. In einigen EU-Häfen gilt der Grenzwert zum Teil schon heute. Das zwingt die Branche zum Umdenken.

Ein Modellschiff wird , in der Hamburgischen Schiffbau-Versuchsanstalt (HSVA) getestet. Foto: ap
Die Kreativität der Schiffbauer ist gefragtBild: AP

Bislang verwenden die meisten Schiffe als Kraftstoff ein Schweröl, das als eine Art Abfallprodukt in den Raffinerien abfällt. Das ist erheblich billiger als Schiffsdiesel. Bei der Verbrennung werden aber zahllose teils krebserregende Gefahrenstoffe frei – darunter Schwefel und Ruß. Durch die Umstellung auf einen umweltverträglicheren Treibstoff rechnet die Branche mit einem Anstieg der Kraftstoffkosten um bis zu 40 Prozent. Zudem befürchten Reeder, dass Gütertransporte auf die Schiene abwandern, wenn der Schiffsverkehr zu teuer wird. Derzeit werden immer noch rund 90 Prozent des weltweiten Handels per Schiff abgewickelt. Die größten Containerschiffe können mehr als 8000 Container auf einmal transportieren. Auch wenn der Transport länger dauert als auf der Schiene oder per Luftfracht - der Schiffstransport ist bisher konkurrenzlos.

Umweltschützer beklagen zu hohen Schadstoffausstoß

Umweltschützer sehen das kritsch: Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) beklagt seit Jahren die seiner Meinung nach zu zögerliche Haltung der maritimen Branche in Sachen Umweeltschutz. Wie der Hamburger Nabu-Chef Alexander Porschke erklärt, liegt der Schwefel-Grenzwert für Schiffstreibstoff rund 4500 Mal höher als der Grenzwert für Autos. "Das führt dazu, dass die 15 größten Schiffe mehr Schwefeldioxydemissionen haben als alle PKW auf der Welt zusammen.“ Die Umweltschützer befürchten nun, dass sich auch diesmal wenig ändern wird.

Schirmherrschaft Merkels als Zeichen

Ein Vorwurf, den die Branche vehement zurückweist. Als Beleg dafür, wie wichtig Öko in der Branche gesehen wird, gilt der Umweltkongress "gmec". Der global maritime environmental congress findet zusammen mit der SMM in Hamburg statt. Schirmherrin ist Bundeskanzlerin Angela Merkel. Für den maritimen Koordinator der Bundesregierung, Hans-Joachim Otto, ist die Schirmherrschaft Merkels ein Beweis dafür, dass der Umweltschutz aus dieser "unverzichtbaren Branche“ nicht mehr wegzudenken ist. Der Bund habe inzwischen zahlreiche Förderprogramme aufgelegt, die nach den Worten von Hans-Joachim Otto rege abgerufen werden. "Auch deshalb ist Deutschland weltweit führend bei der Umstellung der Antriebswerke – unter anderem für das sogenannte Slow Steaming.“

Hans-Joachim Otto, parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft, Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft. Bernard Meyer, Geschäftsführender Gesellschafter Meyer Werft GmbH Foto: DW/N.Lieven)
Neue Konzepte: Hans-Joachim Otto und Bernard MeyerBild: Nicolas Lieven

Beim Slow Steaming wird nicht nur die Fahrleistung des Schiffes gedrosselt, sondern auch maßgeblich der Verbrauch. Umweltverträglich soll die Drosselung auch sein: Schon drei Knoten weniger reduzieren den Schadstoffausstoß um die Hälfte, sagt der Chef der Hamburger Reederei Hapag Lloyd, Michael Behrendt.

Auf der SMM werden aber noch zahlreiche weitere Ideen von Schiffbauern präsentiert. Darunter eine Öko-Waschanlage, umweltorientiere IT-Systeme, widerstandsärmere Rumpfformen und spritsparende Turbinen. Für die meisten der Umstellungen gilt allerdings: Investitionen rechnen sich in der Regel erst nach mehreren Jahren - teilweise sogar erst nach Jahrzehnten.

Autor: Nicolas Lieven
Redaktion: Silke Wünsch