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Politik

Hendricks bei VW: "Bin schon sehr enttäuscht"

27. Juli 2017

Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) besucht den VW-Konzern - als erstes Regierungsmitglied, seitdem die Kartellvorwürfe bekannt wurden. Künftig soll mehr Distanz herrschen zwischen Politik und Konzernen, sagt sie.

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Wolfsburg Barbara Hendricks bei Volkswagen
Umweltministerin Hendricks beantwortet unter den Augen von VW-Konzernchef Müller Fragen von JournalistenBild: Reuters/N. Zekry

Eigentlich sollte das eine eher ruhige Sommerreise werden für Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Auch der Termin im Volkswagenwerk in Wolfsburg, über die "Mobilität der Zukunft", mutete eher unspektakulär an - bis zum vergangenen Samstag. An diesem Tag erschienen Presseberichte, wonach die fünf großen deutschen Autokonzerne, darunter auch Volkswagen, illegale Absprachen getroffen haben - über Preise, technische Details, Umweltbelastungen vor allem von Diesel-Fahrzeugen. Von einem Kartell ist die Rede.

"Vorwürfe sind naheliegend"

Und deshalb sitzt Hendricks jetzt an diesem Donnerstag im Zug von Berlin nach Wolfsburg und wird von Journalisten belagert. "Die Vorwürfe, die da in der Presse erhoben wurden, sind naheliegend, schließlich liegen ja Selbstanzeigen von einigen der Firmen vor", sagt die Ministerin gut eine Stunde vor ihrem Gespräch mit VW-Chef Matthias Müller. Und wenn die Autokonzerne jetzt nach dem Skandal um die Diesel-Abgase in eine neue Krise schlittern sollten, erneut Vertrauen verspielen, sieht die SPD-Politikerin durchaus auch die Politik in der Mitschuld: "Es war nur scheinbar ein Vorteil, dass Teile der Regierung sich etwa in Brüssel stets für die Konzerne eingesetzt haben, etwa bei der Debatte um schärfere Abgasgrenzwerte." Das habe die Konzerne offenbar in dem Gefühl bestärkt, sich vieles, wenn nicht alles, erlauben zu können. "Wenn das mit dem Kartell stimmt, dann ist das durchaus ein Wendepunkt für die deutsche Autoindustrie."

Kein Wort von Müller zu den Vorwürfen

Eine halbe Stunde spricht Hendricks dann im Werk mit dem VW-Chef, zusammen geben beide danach kurze Statements, mediengerecht vor einem "Sedric", einem Pilot-Fahrzeug des Konzerns, das die Möglichkeiten des automatisierten Fahrens vorführen soll. Hendricks sagt: "Ich habe meine Enttäuschung über die jüngsten Meldungen zum Ausdruck gebracht, auch wenn natürlich noch mehr Klarheit über den Gehalt der Vorwürfe nötig ist." Müller nennt das Gespräch "gut und kritisch", aber zu den Kartell-Vorwürfen möchte er nichts sagen. Nur so viel: "Die aktuelle Debatte verdeckt, dass wir uns um die Zukunft der Mobilität sehr wohl kümmern." 

Vier Millionen "Nachbesserungen"

Und der Konzernchef verspricht, dass Volkswagen jetzt vier Millionen Diesel-Fahrzeuge so nachbessern will, dass sie die aktuellen Feinstaubgrenzen nicht überschreiten. Bislang war der Konzern bereit, 2,5 Millionen Autos auf den neusten Stand zu bringen - ein kleines Zugeständnis vor dem Diesel-Gipfel von Politik und Konzernen in der nächsten Woche in Berlin. Allerdings wird dabei nur eine Software im Fahrzeug verbessert. Hendricks fügt deshalb hinzu, dass erst eine Nachrüstung die Feinstaubbelastung wirklich mindern kann. Das klingt nicht so, als ob sie den Beteuerungen von VW glaubt, dass allein die bessere Software die Feinstaubbelastung um ein Viertel senkt. Aus dem Umfeld der Ministerin ist zu hören, besonders zu Beginn sei das Gespräch doch recht frostig verlaufen.

Wolfsburg Barbara Hendricks bei Volkswagen
Umweltministerin Hendricks nimmt den VW-Konzern ins VisierBild: picture-alliance/dpa/S. Stein

VW setzt weiter auf den Diesel

VW will bis 2025 - so ist in Wolfsburg zu hören - ein Viertel seiner Autos mit Elektromotor anbieten und trotz der Probleme mit dem Feinstaub weiter auch auf Diesel setzen. "Wenn der Diesel sauber ist oder wird, kann er eine Brücke bilden, bis wir ganz auf Elektroantriebe setzen können", meint die Ministerin dazu. Von festen Zeiten zum Umstieg auf saubere Antriebe hält sie aber nichts. Anders als etwa Großbritannien oder Frankreich: Beide Länder wollen ab 2040 ganz auf die Zulassung neuer Benzin-oder Dieselautos verzichten.

Dann trifft Hendricks noch Vertreter des Betriebsrats, der Inhalt des Gesprächs bleibt geheim. Aber Hendricks - so heißt es aus ihrem Haus - habe das Gefühl mitgenommen,  dass wirkliche Innovationen eher von den Mitarbeitervertretungen ausgehen. Und nicht von der Konzernspitze, die jetzt erst einmal den Kartell-Skandal überleben muss.