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Italiens ungenutzte Sonne

11. Dezember 2009

Italienische Städte drohen in Autoabgasen zu ersticken, Smogalarm gehört zum Alltag und Energie wird mit Erdöl und Gas statt Sonnenkollektoren erzeugt: Das Land scheint dem Umweltschutz keine große Bedeutung zuzumessen.

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Brennender Müll an einer Straße (Foto: Karl Hoffmann)
In Neapel wird die Umwelt auch durch illegales Verbrennen von Müll verschmutztBild: DW

Smogalarm in Palermo: Polizisten stehen an der Via Roma und kontrollieren die Autokennzeichen. Nur wer ein Kennzeichen mit geraden Zahlen hat, darf weiterfahren. Die anderen werden verwarnt. Diese Verkehrsbeschränkung hat der Bürgermeister von Palermo verordnet. Die Polizisten haben einen undankbaren Job. "Wenn ich nach Hause komme, ist mir richtig übel. Gestern habe ich mir die Nase geputzt und heraus kam Ruß. Wenn ich mich dusche, ist das Wasser richtig schmutzig. Vom Smog brennen einem die Augen und der Hals. Und wer weiß, ob wir an dem Smog nicht eines Tages sterben", sagt einer von ihnen.

Mehr CO2 statt weniger

Viele Autos auf einer Straße (Foto: Karl Hoffmann)
Smogalarm auf der Via Roma in Palermo ist keine SeltenheitBild: DW

In Norditalien sieht die Situation nicht viel besser aus: In Mailand werden die Grenzwerte für die Luftbelastung praktisch jeden dritten Tag im Jahr überschritten. In den fünf größten Städten der Lombardei sterben jährlich 8000 bis 9000 Menschen an den Folgen des Smog. Auf diese dramatische Daten reagieren die verantwortlichen Politiker mit großspurigen Plänen: In Neapel wurde jetzt ein 117 Quadratkilometer großer Stadtbereich zur verkehrsberuhigten Zone erklärt. Ohne jeden Nutzen, denn die Stadtverwaltung verfügt gar nicht über die nötigen Ordnungskräfte, um das Fahrverbot im großen Stil durchzusetzen.

Der ungezügelte Individualverkehr und der gewaltige Lastwagenpark sind mitverantwortlich für die ständig steigende CO2-Produktion Italiens: In den vergangenen 15 Jahren ist sie etwa um 15 Prozent gestiegen. In den anderen EU-Ländern dagegen ist der CO2-Ausstoß in dieser Zeit um vier Prozent gesunken.

Ungenutztes Potential

Porträt von Mario Pecoraino (Foto: Karl Hoffmann)
Mario Pecoraino würde gerne mehr Sonnenkollektoren auf den Dächern der Häuser in Palermo installierenBild: DW

Schuld am wachsenden CO2-Ausstoß sind auch der steigende Strombedarf und der Energieverbrauch für Heizungen. Dabei scheine vor allem in Süditalien mehr Sonne, als man je gebrauchen könne, erklärt Mario Pecoraino in Palermo. "Gerade die Insel Sizilien hat ein enormes Energiepotenzial: bis zu 1500 Watt Sonnenenergie pro Quadratmeter gegenüber 1100 Watt im übrigen Italien." Dieses Potential dürfe man nicht ungenutzt lassen. "Wir müssen massiv investieren, egal ob in Sonnenkollektoren oder Solarzellen. Nur dürfen wir keine Zeit mehr verlieren", sagt er.

Mario Pecoraino war einer der ersten, der versucht hat, Anlagen für Sonnenenergie in Süditalien zu verkaufen. Doch politische und wirtschaftliche Interessen hätten der erneuerbaren Energie bisher immer nur Steine in den Weg gelegt, sagt er. "In Palermo sollten 5000 Sonnenanlagen entstehen, am Ende wurde nur vielleicht ein Tausendstel davon finanziert." Italien könnte aufgrund seiner meteorologischen und wirtschaftlichen Bedingungen weltweit der fünftgrößte Produzent von Sonnenenergie werden - produziert aber gerade einmal etwa 40 Gigawattstunden. Deutschland, deutlich sonnenärmer, produziert dagegen weit über 4000 Gigawattstunden.

Sonne satt - aber keine Kollektoren

Sonnenkollektoren (Foto: dpa)
Sonne für Kollektoren gäbe es in Italien genugBild: dpa

Die Regierung Berlusconi hat erst vor kurzem Verträge mit Libyen über den Import gewaltiger Energiemengen geschlossen. Der Staatskonzern ENI pumpt Milliarden Kubikmeter Gas quer durch das Mittelmeer in die italienischen Kraftwerke und wandelt sie zu teurem Strom aus fossilen Energiequellen um. Zwar produziert Italien 14,5 Prozent seines Energiebedarfs aus erneuerbaren Energiequellen und steht in Europa an vierter Stelle. Aber der Großteil kommt aus Staudämmen, die seit vielen Jahren existieren und an Bedeutung verlieren, je knapper das Wasser wird.

Doch die derzeitige Regierung setzt weiterhin auf Riesenkraftwerke. Um das staatliche Energiemonopol - eine der wichtigsten Einnahmequellen des hochverschuldeten Landes - aufrechtzuerhalten, plant sie die sofortige Wiedereinführung der Nuklearenergie. "Für die geplante Deckung von 25 Prozent unseres Energiebedarfs unter Verwendung der neuesten Technologie aus den vereinigten Staaten und Frankreich brauchen wir sieben, acht, zehn Kernkraftwerke", sagt Claudio Scajola, Minister für Wirtschaftsentwicklung. Die würden rund 70 Milliarden Euro kosten. Dieses Geld würde dagegen viel dringender für die Einführung von Solar- und Windenergieanlagen benötigt, beklagen die Umweltschützer.

Autor: Karl Hoffmann
Redaktion: Julia Kuckelkorn