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UN-Frauenpolitik der kleinen Schritte

15. Oktober 2011

Seit 30 Jahren gibt es ein UN-Frauenrechtsabkommen. Sein Ziel: mehr Geschlechtergerechtigkeit. In Genf kam jetzt der entsprechende UN-Ausschuss zusammen. Hier freut man sich über viele kleine Erfolge.

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Bemalte Mauer: Der Satz 'Women join hands' ('Frauen, reicht Euch die Hände') prangt über mehreren gemalten Frauen, die sich an den Händen halten (Foto: UN)
Mehr Rechte für Frauen - weltweitBild: UN

Nicht immer gibt es so viele Erfolge auf einmal: Bei der aktuellen Sitzung des CEDAW-Ausschusses (Committee on the Elimination of Discrimination against Women) zur Überprüfung der Konvention gegen die Diskriminierung von Frauen legen fünf Länder zum ersten Mal in ihrer Geschichte Rechenschaft über ihre Maßnahmen zur Gleichstellung der Geschlechter ab. Oman, Tschad, Elfenbeinküste (Côte d'Ivoire), Montenegro und Lesotho - jedes dieser Länder hat eine Regierungsdelegation nach Genf geschickt, die dem CEDAW-Ausschuss einen Tag lang Rede und Antwort steht.

Damit ist ein wirkungsvoller Überprüfungsmechanismus in Gang gesetzt. Das CEDAW-Komitee wird am Ende der Sitzung für jede der betroffenen Regierungen konkrete Empfehlungen aussprechen, um die Menschenrechte der Frauen besser zu garantieren. Und wenn diese Länder dann in vier bis fünf Jahren erneut vor den Frauenrechts-Ausschuss treten, müssen sie über den Stand der Umsetzung berichten.

Tiefpunkte und Sternstunden

"Wenn Delegationen ihren ersten Bericht vorlegen", sagt Komitee-Mitglied Dubravka Simonovic, "dann kannst du erleben, wie alle voller Enthusiasmus davon sprechen, wie sie die CEDAW-Konvention künftig anwenden und den ganzen Überprüfungsprozess starten wollen." Nicht immer hält der Enthusiasmus aber auch an, weiß die kroatische Juristin aus neun Jahren CEDAW-Erfahrung: "Enttäuschend wird es immer dann, wenn Länder später mit den gleichen Problemen vor den Ausschuss treten wie fünf Jahre zuvor."

Ärztin in Afghanistan in einem Krankenzimmer mit Patienten (Foto: AP)
Ärztin in Afghanistan: Viele Staaten ändern ihr Arbeitsrecht zugunsten von FrauenBild: AP

Frustration ist in der inzwischen dreißigjährigen Geschichte des CEDAW-Komitees aber eher die Ausnahme. Auch wenn der Weg zu mehr Geschlechtergerechtigkeit offenbar lang ist - in der Regel gibt es laufend kleine Fortschritte zu vermelden, die in der Summe große Wirkung erzielen. Dank des CEDAW-Prozesses streichen Länder diskriminierende Passagen aus ihren Verfassungen oder ändern ihr Arbeits- und Staatsbürgerschaftsrecht. "Zumindest auf der rechtlichen Ebene ist der Beitrag vom CEDAW-Ausschuss ziemlich groß", resümiert Komitee-Mitglied Patricia Schulz aus der Schweiz. "Auf der praktischen Ebene ist es schwieriger zu messen, ob die Situation sich verbessert hat - und natürlich sehr schwierig zu messen, ob es wegen uns ist oder nicht."

Frauengleichstellung mit Vorbehalten

Inzwischen haben 187 Staaten die Konvention ratifiziert. Das kommt einer fast universalen Anerkennung gleich. Diese Anerkennung sei aber eher symbolischer Natur, meint Patricia Schulz nüchtern. Viele Länder hätten zwar unterzeichnet, jedoch gleichzeitig religiös, kulturell oder politisch begründete Vorbehalte angemeldet. "Manchmal sind diese Vorbehalte so weitgehend, dass es fast so ist, als ob das Land nicht ratifiziert hätte." Das sei wie eine offene Ankündigung, die Konvention nicht umsetzen zu wollen.

Paar in Saudi-Arabien (Foto: picture-alliance/dpa/DW)
Paar in Saudi-Arabien: Vorbehalte gegen Frauenrechte?Bild: picture-alliance/dpa/DW

Saudi-Arabien etwa gehört zu den Staaten, die besonders viele Vorbehalte angemeldet haben. Und da setze dann die Arbeit des CEDAW-Ausschusses ein, sagt Patricia Schulz: "Ein Teil unseres Jobs ist es, diese Länder dazu zu bringen, die Vorbehalte zurückzunehmen oder zumindest kleiner zu machen."

Im Fall von Tunesien hat diese Überzeugungsarbeit gerade Früchte getragen. Wie bereits Marokko, hat das nordafrikanische Land bestehende Vorbehalte gegen die Umsetzung der Konvention gestrichen. Diese Entwicklung wäre ohne den "arabischen Frühling" und das Engagement der tunesischen Zivilgesellschaft nicht möglich gewesen. Andere arabische Länder sind noch nicht so weit: Bei der laufenden Sitzung gibt es gleich zwei Länderberichte ohne Beteiligung von Nichtregierungsorganisationen. Aus dem Oman und aus Kuwait sind keine sogenannten Schattenberichte beim Komitee eingegangen, mit denen sich nationale NGOs in den Überprüfungsprozess einbringen.

Dialog und Vernetzung

Damit das ganze Verfahren wirklich funktioniert, ist jedoch ein Zusammenspiel von Regierungen, CEDAW-Komitee und NGOs nötig. Dieser "konstruktive Dialog" zwischen allen Beteiligten gilt als das Erfolgsrezept des CEDAW-Prozesses. Dabei gehe es nicht um Konfrontation und Schuldzuweisung, erklärt die indische Juristin Tulika Srivastava, die die Arbeit der nationalen NGOs im CEDAW-Prozess koordiniert: "Die Regierung hat sich mit einer Überprüfung einverstanden erklärt. Deshalb hat sie die Konvention ja schließlich ratifiziert. Weil sie das Beste für die Frauen will." Deshalb müsse jede Diskussion mit Regierungen von dem gemeinsamen Willen ausgehen, das Beste für die Frauen herauszuholen.

Die NGOs gingen inzwischen oftmals besser vorbereitet in die CEDAW-Sitzungen als die offiziellen Regierungsdelegationen, findet Tulika Srivastava. Einen Teil ihrer Schlagkraft beziehen sie aus ihrer internationalen Vernetzung. Der ganze CEDAW-Prozess profitiert vom länderübergreifenden Austausch. "Ich bin überzeugt, dass man sehr viel lernen kann von den anderen Ländern. Man muss nicht alles neu erfinden", ist Patricia Schulz überzeugt. "Man kann sehr viel von anderen bekommen, aber dafür muss man sie treffen und hören, was sie tun."

Gewalt und Armut bleiben auf der Tagesordnung

Die großen Themen im Kampf gegen die Diskriminierung von Frauen, die sich durch alle Sitzungen des Komitees ziehen, sind Gewalt und Armut. Der CEDAW-Ausschuss darf sich zugute halten, das Problem der Gewalt gegen Frauen auf die internationale Tagesordnung gesetzt zu haben. Regierungen müssen heute Rechenschaft darüber abliefern, was sie zum Schutz der Frauen gegen systematische Vergewaltigungen in bewaffneten Konflikten unternehmen, und sie müssen sich fragen lassen, ob sie das Potenzial der Frauen bei der Überwindung von Armut und Gewalt wirklich erkannt haben und nutzen.

Welches Potenzial in der gleichberechtigten Beteiligung von Frauen am politischen, sozialen und wirtschaftlichen Leben steckt, führen die Gewinnerinnen des diesjährigen Friedensnobelpreises vor: Ellen Johnson-Sirleaf treibt als Präsidentin von Liberia den friedlichen Wiederaufbau ihres bürgerkriegsgeschüttelten Landes voran, Leymah Gbowee kämpft für die strafrechtliche Verfolgung von Verbrechen an Frauen und Kindern im liberianischen Bürgerkrieg, und Tawakkul Karman verlangt die politische und soziale Gleichstellung der Frauen im Jemen, als Voraussetzung für die Überwindung der Armut.

Autorin: Claudia Witte, Genf
Redaktion: Ulrike Mast-Kirschning