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UN-Sicherheitsrat findet seine Sprache wieder

Daniel Scheschkewitz21. März 2012

Erstmals sendet die internationale Gemeinschaft ein geschlossenes Signal zum Ende der Gewalt in Syrien. Russlands neue Haltung erhöht den Druck auf Assad, meint Daniel Scheschkewitz.

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Symbolbild Kommentar

Viele hatten den UN-Sicherheitsrat in der Syrienkrise schon ganz abgeschrieben. Doch nach sieben langen Monaten des Schweigens hat das Gremium endlich seine Sprache wiedergefunden. Zu einer Resolution hat es noch nicht gereicht. In der völkerrechtlich nichtbindenden Form einer Erklärung  werden Regierung und Opposition in Syrien aufgefordert, die Gewalt im Lande schnellstmöglich zu beenden. Beide Seiten sollen den Sondergesandten der UN, Kofi Annan, bei seinen Bemühungen zu einer Lösung der Krise unterstützen. Die Erklärung des Sicherheitsrates wird viele Anhänger des Volksaufstandes enttäuschen. Schließlich hatten die Proteste vor einem Jahr friedlich begonnen. Erst die massiven Angriffe des Regimes mit Artillerie und Luftwaffe hatten die Regimegegner zur verzweifelten Gegenwehr greifen lassen. 

Klassischer Kompromiss

Und doch ist diese Erklärung mehr als man noch vor Wochenfrist zu hoffen gewagt hatte. Möglich wurde der gemeinsame Text erst durch die beharrliche Haltung der westlichen Staaten und die daraus resultierende Aufgabe der russischen Blockadehaltung. Die Regierung in Moskau hatte jedoch unbedingt vermeiden wollen, dass ihr Verbündeter Assad als Alleinschuldiger die Verantwortung der internationalen Staatengemeinschaft zugewiesen bekommt, mit möglicherweise weitreichenden Folgen. Dem wurde nun Rechnung getragen. Ein klassischer diplomatischer Kompromiss, der auf den ersten Blick keinem so recht weiterhilft. Genauer betrachtet aber erhöht sich der Druck auf Assad beträchtlich. Der Alleinherrscher von Damaskus kann sich nun nicht mehr hinter dem breiten Rücken der Russen verschanzen. Im Vertrauen auf die Blockadehaltung in Moskau und Peking hatte der Diktator bisher eine zynische Doppelstrategie aus Hinhaltetaktik und leeren Gesten verfolgt, während seine Sicherheitskräfte brutal gegen das eigene Volk vorgingen. Diesen Spielraum hat er jetzt nicht mehr. Er muss nun jeden Tag damit rechnen, dass auch Russland den Druck weiter erhöht.

DW-Redakteur: Daniel Scheschkewitz
DW-Redakteur Daniel ScheschkewitzBild: DW

Neuer Rückenwind für Annan

Unmittelbare Auswirkung hat die Erklärung auf die Mission Kofi Annans, der als Syrien-Sonderbeauftragter nun über die volle Rückendeckung der internationalen Staatengemeinschaft verfügt. Der UN-Sicherheitsrat wird aber auch völkerrechtlich wieder handlungsfähig. Das ist vor allem im Hinblick auf seine Schutzverpflichtung gegenüber der syrischen Zivilbevölkerung von großer Bedeutung und kommt zu einem Zeitpunkt, da sich die humanitäre Lage zuspitzt. Schon sind 200.000 Syrer im Lande auf der Flucht vor der täglichen Gewalt. 30.000 Menschen sind bereits über die Grenzen geflohen. Ein Erfolg oder Scheitern der Mission Annans hängt an einem seidenen Faden und könnte für viele Menschen lebensentscheidend sein.

Ein Waffenstillstand und das Ende der unmittelbaren militärischen Gewalt gegen Zivilisten in den Rebellenhochburgen stehen ganz oben auf der Prioritätenliste. Ebenso wie der ungehinderte Zugang für das Internationale Rote Kreuz, um Verletzte aus den Kampfgebieten zu bergen. Auch eine robuste Beobachtermission zur Einhaltung eines noch auszuhandelnden Friedensplans rückt nun wieder in den Bereich des Möglichen. Sollte sich Assad in diesen Punkten nicht entscheidend bewegen, könnte ihn Moskau schon sehr bald fallenlassen. Dann wird ihm auch das mit russischer Hilfe angehäufte Waffenarsenal nicht mehr lange weiterhelfen, zumal Saudi-Arabien längst mit der gezielten Aufrüstung sunnitischer Rebellen in Syrien begonnen hat.

Keine weitere Bewaffnung der Opposition

Ein weiterer Vorteil der jüngsten UN-Erklärung: Auch die bewaffnete Opposition hat keinen Blankoscheck ausgestellt bekommen. Will man eine weitere Eskalation des syrischen Bürgerkriegs vermeiden, muss die Arabische Liga dafür sorgen, dass diese Waffenlieferungen unterbleiben. Keine Seite darf neues Öl ins Feuer gießen. Auch die Opposition muss sich auf einen verbindlichen Kanon von politischen Zielen einigen, damit eine nachvollziehbare Demokratisierung Syriens endlich in Angriff genommen werden kann.

Davon ist Syrien allerdings noch weit entfernt. Wenn die Erklärung des UN-Sicherheitsrates mehr sein soll als ein Alibi, müssen den Worten nun Taten folgen. Kofi Annan sollte so schnell wie möglich nach Damaskus zurückkehren. Ausgerüstet mit einem starken Mandat, kann ihn Assad nicht noch einmal unverrichteter Dinge abreisen lassen.