1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Internationale Politik erlebbar machen

Tessa Clara Walther
29. November 2017

Studenten aus aller Welt simulierten diese Woche bei "Bonn International Model United Nations" eine Konferenz der Vereinten Nationen. Keiner vertrat sein Heimatland, sondern am liebsten einen "Spielverderber-Staat".

https://p.dw.com/p/2oPIO
Bonn International Model United Nations Konferenz in Bad Godesberg
Sitzungsleiterin Aurora Hamm mit ihrem HammerBild: DW/T. Walther

"Die nächste Sitzung ist eröffnet! Nehmen Sie Platz." Kopfschmerztabletten und zuckerfreie Energydrinks werden zur Seite geschoben und machen Platz für den schweren Holzhammer, mit dem die Sitzungsleiterin Aurora Hamm auf den Tisch klopft und um Ruhe bittet. Frauen in Pumps schütteln die Hände von Männern in schwarzen Anzügen, bevor sie zügig den Weg zurück an den Platz finden, der mit ihrer Länderflagge dekoriert ist. Die Gesichter zeigen: Die Sitzung des Sicherheitsrates verlief gut in den letzten Tagen. Bis morgen ist wohl beschlossen, wie die internationale Gemeinschaft mit Nordkoreas totalitärer Regierung in Zukunft umgehen wird.

Bonn International Model United Nations Konferenz in Bad Godesberg
Die Delegierten aus Japan und Kasachstan sind sich einig Bild: DW/T. Walther

Doch trotz offiziellem Sitzungs-Hammer tagt dieser Sicherheitsrat nicht im UN-Hauptquartier an der First Avenue in Manhattan, sondern im Wissenschaftszentrum in Bonn-Bad Godesberg. In den hohen Tagungsräumen kommen auch keine ausgebildeten und erfahrenen Diplomaten zusammen, sondern fast 100 Studenten aus über 20 Ländern. Sie sind teils allein, teils in Studiengruppen angereist, um bei der diesjährigen "Bonn International Model United Nations", kurz BIMUN, fünf Tage lang diplomatische Lösungen für globale Krisen zu finden. Schon Monate vorher hatten sie sich beim Bonner MUN-Verein beworben, um bei der Simulation in die Rolle eines der UN-Mitgliedsstaaten schlüpfen zu können. Vorkenntnisse sind dabei von Vorteil, denn nicht alle Bewerber werden genommen. Welchen Staat ein Teilnehmer am Ende vertritt, das entscheidet der Verein. Allerdings ist es nie der eigene. Modell-Konferenzen wie diese gibt es mittlerweile Hunderte, auf allen Kontinenten der Welt. Die Sprache ist immer die gleiche: Englisch.

Aktiv mitmachen, anstatt passiv zuzusehen

Der Sicherheitsrat diskutiert weitere Optionen, um die Lage auf der koreanischen Halbinsel zu verbessern. Frankreich hat das Wort und erhebt sich: "Liebe Delegierten, ich bitte Sie, jetzt nicht aufzugeben. Wir haben schon große Fortschritte gemacht und sind in den letzten Zügen". An den zu einem Halbkreis geformten Tischreihen sind mittlerweile zwei Arbeitspapiere im Umlauf, die heute noch zu einem zusammengeführt werden sollen. Kommen sich China und die USA noch entgegen? Die Delegierten sind angespannt, muss es doch morgen ein einstimmiges "Ja" von allen fünf Vetomächten geben, um eine Resolution zu beschließen. Die Gruppe hält sich mit ihren Abläufen somit genau an die Regeln, die auch im echten Sicherheitsrat gelten. Franz Lentner vertritt bei der diesjährigen Konferenz die Rolle Pekings. "Wir wollen es in den letzten Sitzungen schaffen, die nukleare Abrüstung voranzutreiben". Die Rolle Chinas ist dabei nicht die leichteste, denn das Land steht oft alleine gegen andere Mitglieder des Rates. Dennoch: Es macht Franz Spaß einen "Spielverderber-Staat“ zu repräsentieren, wie sie ihn hier nennen.

Bonn International Model United Nations Konferenz in Bad Godesberg
Die Delegierten stärken sich in der KaffeepauseBild: DW/T. Walther

Angefangen mit Model UN hat der 22-jährige, um einmal in die diplomatische Welt hineinschnuppern zu können. Das Diplomaten-Dasein für ein paar Tage zu testen, das ist das Ziel von vielen Teilnehmern, die hauptsächlich aus den Studiengängen Politik, Wirtschaft und Jura zusammenkommen. "Wir machen internationale Politik erlebbar", sagt auch Peter Pelzer, der diesjährige Präsident des studentischen Vereins. Über zehn Monate hat der 20-jährige die Simulation gemeinsam mit seinen Kollegen vorbereitet. Der junge Mann mit der exotisch gemusterten Krawatte studiert Mathematik im fünften Semester und kam aus anderen Gründen zu MUN. Er wollte hier vor allem Menschen aus anderen Fachrichtungen kennenlernen. Denn neben den offiziellen Sitzungen bilden sich während der Abendveranstaltungen oft freundschaftliche Gruppen, die anschließend gemeinsam an weiteren Simulationen teilnehmen.

Deutschland odel United Nations Konferenz | Peter Pelzer
Peter Pelzer: "Wir machen internationale Politik erlebbar"Bild: DW/T. Walther

Die diplomatische Einigung ist nicht das Hauptziel

Der Hammer klopft ein letztes Mal, der Sicherheitsrat ist bis morgen vertagt. Noch gibt es keine entscheidende Resolution. Aber auch wenn am letzten Tag keine Lösung für den Nordkorea-Konflikt gefunden wird, wäre Franz nicht enttäuscht. Denn in den letzten Wochen Recherche hat er schon viel über diese internationale Krise gelernt, genauso wie über Chinas Perspektive des Konflikts. "Man versteht am Ende, wie man sich in offizielle Dokumente einarbeitet, die oft sehr euphemistisch geschrieben sind". Dadurch könne man plötzlich nachvollziehen, was Staatsvertreter in den realen Gremien zwischen den Zeilen kommunizieren, und das direkt selbst ausprobieren. Viel mehr Zeit zum Plaudern hat Franz allerdings nicht, denn das Abendprogramm in der Bonner Innenstadt wartet. Und damit die diplomatischen Ambitionen am Folgetag nicht beeinträchtigt werden, stehen morgen sicher wieder zuckerfreie Energydrinks bereit.