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Un-sportliches Gemeinschaftserlebnis

Konstantin Klein4. Februar 2002

"United we stand" - mit diesem Spruch macht sich die USA seit dem 11. September Mut. Das patriotische Ereignis dieses Wochenendes stand jedoch unter einem anderen Motto. DW-TV-Korrespondent Konstantin Klein berichtet.

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"United we sit" - Patriotismus im Fernsehsessel

Nur die Ahnungslosen halten die "Superbowl", das wichtigste Spiel des Jahres im American Football, für ein reines Sportereignis. Nur die komplett Schimmerlosen können übersehen haben, dass die Superbowl-Übertragung auch ein Festival der Fernsehwerbung ist - hier laufen traditionsgemäß die besten und die teuersten Werbespots des gesamten US-Fernsehens.

Und man muß die letzten Monate schon unter einem Stein gelebt haben, um nicht zu wissen, daß Superbowl XXXVI ein weiterer Meilenstein des US-amerikanischen Patriotismus wird. (Es ist auch ein alljährlicher Meilenstein bei der Wieder-Einführung römischer Zahlen ins moderne Leben, aber das ist eine ganz andere Geschichte ...)

Fox, der Sender, der sich die Superbowl 2002 gesichert hat, macht ein patriotisches Spektakel aus dem Sportereignis. Die Farben der NFL sind ohnehin Rot, Weiß und Blau, New Yorker Feuerwehrleute werden im Stadion geehrt, Verteidungsminister Rumsfeld (was hat der mit Sport zu tun?) spricht ein Grußwort, der amerikanische (???) Superstar Paul McCartney spielt - der gleiche McCartney, der wegen Drogenbesitzes einst des Landes verwiesen wurde (muß in einem anderen Jahrhundert gewesen sein), John Walsh, der Eduard Zimmermann des US-Fernsehens, macht Jagd auf ausländische Terroristen, und ein GI darf während der Sendung live aus Kandahar seiner Freundin im Homeland einen Heiratsantrag machen.

Vier echte Ex-Präsidenten (und die Frau des schwerstkranken fünften, Nancy Reagan) zitieren zur Musikbegleitung des Boston Pops Orchestra aus Reden Abraham Lincolns, ehemalige NFL-Stars rezitieren die Unabhängigkeitserklärung. Mariah Carey singt die Nationalhymne, und ein New Yorker Polizeibeamter übersetzt sie (die Hymne) in die Gehörlosensprache.

Dass eines der beiden antretenden Teams sich "New England Patriots" nennt, ist nur noch ein ergänzender Farbtupfer.

Fourth of July, Memorial Day, Labor Day - all die offiziellen Feiertage im Jahreslauf eines Amerikaners verkommen zu Gelegenheiten für Picknicks und Sonderverkäufe; Super Bowl Sunday dagegen, eine eigentlich kommerzielle
Veranstaltung, wird zum wahren amerikanischen Feiertag.

Happy Holiday, America!

Ach ja. Football gespielt haben sie schließlich auch noch. Gewonnen haben nicht die Favoriten aus St. Louis, sondern - nach einem unheimlich spannenden Finale und in buchstäblich allerletzter Sekunde - die New England Patriots.