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Damaskus Selbstmordanschläge

24. Dezember 2011

Die Vereinten Nationen haben die Selbstmordanschläge in Damaskus auf das Schärfste verurteilt. In Syrien hat derweil die Suche nach den Drahtziehern begonnen. Das Regime macht Al Kaida für die Taten verantwortlich.

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Anschläge in Damaskus Syrien (Foto: EPA)
Anschläge in der syrischen Hauptstadt DamaskusBild: Picture-Alliance/dpa

Die 15 Mitglieder des Weltsicherheitsrates hätten den Opfern der "schrecklichen Taten", deren Angehörigen und dem syrischen Volk ihr tiefes Mitgefühl ausgesprochen, hieß es in einer am Freitagabend (23.12.2011, Ortszeit) in New York verbreiteten Erklärung der Vereinten Nationen. Zuvor hatte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon die Terroranschläge bereits als "inakzeptabel" verurteilt.

Bei der Explosion zweier Autobomben vor Gebäuden der syrischen Sicherheitskräfte und des Geheimdienstes waren am Freitag nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Sana 44 Menschen getötet und weitere 166 verletzt worden. Inzwischen hat eine groß angelegte Suche nach den Drahtziehern begonnen. Augenzeugen berichteten von Straßenkontrollen und Festnahmen in Damaskus. Regierungsvertreter und staatliche Medien machten das Terrornetzwerk Al Kaida für die Bluttaten verantwortlich.

Anschläge nutzen dem Regime

Bei den Sprengstoffanschlägen wurden Einrichtungen der Sicherheitsdienste getroffen (Foto: EPA)
Bei den Sprengstoffanschlägen wurden Einrichtungen der Sicherheitsdienste getroffenBild: Picture-Alliance/dpa

Die Bombenanschläge ereigneten sich, während in der syrischen Hauptstadt ein Vorausteam der Arabischen Liga Vorbereitungen für die Arbeit einer Beobachtermission trifft. Seit dem Beginn der Massenproteste gegen die autoritäre Herrschaft von Präsident Baschar al-Assad Mitte März hatte die syrische Staatsführung immer wieder Terroristen und kriminelle Banden für die Unruhen im Land verantwortlich gemacht.

Kristin Helberg, die viele Jahre für die Deutsche Welle und andere deutsche Medien aus Damaskus berichtete, hält es sogar für möglich, dass das Assad-Regime selbst hinter den Anschlägen stecken könnte: "Was jetzt passiert, ist genau das, was das syrische Regime den arabischen Beobachtern zeigen möchte: Nämlich, dass das Regime gegen einen wachsenden Terrorismus kämpft. Nach dem, was wir in den vergangenen Monaten gesehen haben, ist dem Regime grundsätzlich alles zuzutrauen." Eine Einschätzung, für die es naturgemäß derzeit keine Belege gibt.

Eskalierte Gewalt

Syriens Außenminister Walid al Moallem hatte der Beobachtermission der Arabischen Liga am 19.12.zugestimmt (Foto:EPA)
Syriens Außenminister Moallem hatte der Beobachtermission der Arabischen Liga am 19.12. zugestimmtBild: picture-alliance/dpa

Fest steht, dass sich seit der Unterzeichnung des Friedensplans mit der Arabischen Liga am Montag die Gewalt in Syrien noch einmal deutlich verstärkt hat - mit über 250 Toten. Syrien-Kennerin Helberg hat den Eindruck, dass das Regime die vergangene Woche genutzt hat, um auch in den Protesthochburgen massiv gegen Demonstranten und Aktivisten vorzugehen und den Reihen der "Freien Syrischen Armee" möglichst viel Schaden zuzufügen. Dabei würde es Helberg zufolge durchaus Sinn machen "jetzt eine Version der Dinge aufzubauen, die der offiziellen Lesart des Regimes entspricht".

Insgesamt sind in Syrien nach Angaben der Vereinten Nationen seit März 2011 mehr als 5000 Menschen getötet worden. Und vieles spricht dafür, dass die Zahl der Opfer in den kommenden Wochen und Monaten weiter ansteigt.

Furcht vor langem Bürgerkrieg

Pro-Assad Demonstration in Damaskus Ende November. (Foto:EPA)
Pro-Assad Demonstration in Damaskus Ende NovemberBild: picture-alliance/dpa

Avi Primor, der ehemalige Botschafter Israels in Deutschland, hat wiederholt vor einem lang anhaltenden und blutigen Bürgerkrieg in Syrien gewarnt. Im Gespräch mit DW-WORLD.DE verweist Primor auf die große Zahl von Unterstützern Assads: "Es gibt tatsächlich einen großen Anteil der syrischen Bevölkerung, der trotz allem hinter dem Präsidenten und hinter dem Regime steht. Es gibt viele Minderheiten in Syrien, die hinter Assad stehen. Zum Beispiel eine sunnitische Bourgeoisie, die es durch Assad zu Wohlstand gebracht hat. Und dieses Bürgertum unterstützt das Regime."

Die jüngste Eskalation der Gewalt könnte den Nebeneffekt haben, dass sich die alawitische Minderheit oder die syrischen Christen noch enger um das Regime scharen - aus Angst, das es nach einem möglichen Sturz Assads zu Gewaltausbrüchen gegen ihre Gemeinschaften kommen könnte, meint Kristin Hellberg.

Sanktionen beginnen zu wirken

Außerdem leiden die Menschen in Syrien bereits jetzt unter den Sanktionen, die von den USA und den Europäern verhängt worden sind: Es fehlt an Öl und an Gas zum Heizen der Wohnungen, so dass die Menschen frieren: "Teilweise muss sogar im politischen Zentrum von Damaskus der Strom abgestellt werden. Das heißt, im Rest des Landes kann es eigentlich nur noch schlechter aussehen", gibt Kristin Helberg zu bedenken.

Für das Regime kommt diese Unzufriedenheit gerade recht, weil es so die USA und den Westen für die schlechte Lage im Land verantwortlich machen kann. Diese Strategie könnte bei vielen Syrern verfangen, die noch unentschlossen sind, welche Seite sie künftig unterstützen sollen, sagt die langjährige Damaskus-Korrespondentin Hellberg. Die Angst vor Terroranschlägen in der bisher ruhigen Hauptstadt könnte ein Übriges tun.

Autor: Thomas Kohlmann

Redaktion: Daniel Scheschkewitz