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Unbekannter Irak

5. April 2003

Von Abraham bis Saddam, von der frühesten Besiedlung bis heute, hat das Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris die Menschen fasziniert und irritiert - nachzulesen in mehr als 20 Reportagen des National Geographic.

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"Doch das moderne Bagdad befindet sich in verlässlicheren Händen. Nicht zügellose Palastwächter schützen seine Tore, sondern nüchterne, klar denkende Männer. Sie sind in den besten Schulen Europas ausgebildet worden …"

Zitat aus einer Reportage über die irakische Hauptstadt im Jahre 1914. Eine Stadt, die damals unter türkischer Herrschaft stand, aber geprägt war von der Vielfalt ihrer arabischen, armenischen, türkischen, kurdischen, persischen und griechischen Einwohner, um nur einige zu nennen. In der die Autoren der Reportage aber auch über den Basar erklären, von Teheran bis Tokio gebe es wohl keinen Ort, der europäischem Einfluss so sehr entzogen sei.

Paradies und Sintflut


Nur zwei Zitate aus einer der beeindruckenden Reportagen aus dem "National Geographic", die jetzt unter dem Titel "Unbekannter Irak" auf Deutsch erschienen sind. Das Buch ist nicht nur eine faszinierende Reise durch den Irak seit Beginn des 20. Jahrhunderts, sondern es informiert auch in ausführlichen, für den Laien aber leicht lesbaren und verständlichen Kapiteln über die lange Geschichte des Zweistromlandes. Das Land der Sumerer, mit seiner sagenumwobenen Hauptstadt Ur - der Heimat des Patriarchen Abraham - von der heute noch durch die Wüste konservierte Reste zu sehen sind, das Land Babylons auch. Und vor allem das Land, in dem nicht nur Schrift, Wissenschaften und Rechtswesen ihren Ursprung nahmen, sondern auch die monotheistischen Religionen. Das Paradies - der "Garten Eden" - soll irgendwo südöstlich von Bagdad gelegen und die Sintflut hier stattgefunden haben.

Zur Vertiefung - so sind die Kapitel auch überschrieben - gibt es dann historische und politische Überblicke über bestimmte Perioden der irakischen Geschichte. Aber auch ohne diese sehr informativen Einschübe braucht der Leser nur einige wenige Seiten des - übrigens reichlich mit eindrucksvollen Photographien illustrierten - Buches, um zu ahnen, dass dem Irak großes Unrecht geschehen ist, dass man ihn im Westen so lange fast völlig ignoriert und eigentlich erst dann wiederentdeckt hat, als er - 1979 - unter die Herrschaft Saddam Husseins geriet.

Strategischer und religiöser Anziehungspunkt

Das Land hat eine mehr als wechselhafte Geschichte durchgemacht und es war immer schon Anziehungspunkt für fremde Mächte. Nicht erst, nachdem dort unermessliche Erdöl-Vorkommen gefunden worden waren. Der Irak war Durchgangsland für Handelskarawanen, er hatte strategische Bedeutung für die Europäer - auf ihrem Weg nach Ostasien und in die umliegenden Regionen. Und er war - und ist - religiöser Anziehungspunkt. Nicht nur für die Schiiten, deren wichtigste Heiligtümer - Najaf und Kerbala - im Irak liegen, sondern auch für andere Religionen. Grund dafür, dass der Irak bis heute eine bunt zusammengewürfelte Bevölkerung hat - von den Kurden im Norden bis hin zu den Schiiten im Süden. Viele andere Gruppen sind schon erwähnt, hinzu kommen noch so kleine Gemeinschaften wie die der - urchristlichen - Mandäer, die sich auf Johannes den Täufer berufen und die es kaum noch anderswo auf der Welt gibt.

Unbekannter Irak - natürlich fehlt auch die Entdeckung und Bedeutung des Erdöls nicht. Wie auch die Zeit der Revolution und danach. Aber was sind diese paar Jahrzehnte im Vergleich zu den Jahrtausenden davor? Was ist ein Saddam Hussein im Vergleich mit Abraham, Hamurabi oder Nebukadnezar?

Rezension: Peter Philipp

Bibliografische Angaben:
Unbekannter Irak
National Geographic Deutschland, 2002
3-934385-87-7
24.95 Euro