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UNDP: "Armut in Osteuropa ist vergleichbar mit der Armut in anderen Teilen der Welt"

24. Februar 2005

Bei einem Besuch in der Deutschen Welle hat Kálmán Mizsei, der Direktor des UN-Entwicklungsprogramms für Europa und die GUS-Staaten, auf die erschreckende Armutsrate in vielen Ländern der Region hingewiesen.

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UNDP-Direktor Mizsei (rechts): Armutsbekämpfung durch lokale ExpertenBild: DW

Spricht man von Armut in der Welt, denken die meisten Europäer an Afrika, Lateinamerika oder Indien, also an weit entfernte Regionen. Weit gefehlt! "Wenn man sich die Zahlen genau ansieht, stellt man fest, die Armut in unserer Region ist vergleichbar mit der Armut in anderen Regionen der Welt", sagt Kálmán Mizsei, Beigeordneter UN-Generalsekretär und Direktor des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP) für Europa und die GUS-Staaten. Die Lebensbedingungen der Roma in Mittel- und Südosteuropa zum Beispiel unterscheiden sich oft nicht von jenen in den Favelas Brasiliens oder in den Elendsvierteln afrikanischer Städte. Und selbst Russland - ein Land, das sich gern als europäisch versteht - weist ein Bruttoinlandsprodukt aus, das lediglich dem Südafrikas entspricht.

Probleme im lokalen Kontext erkennen

In den letzten Jahren hat sich das UN-Entwicklungsprogramm als die wichtigste Organisation im Kampf gegen die Armut herauskristallisiert, sagt Kálmán Mizsei. Ihre Philosophie ist einfach: Den Menschen zu einem besseren Leben zu verhelfen. Dabei geht es bei weitem nicht nur darum, Wirtschaftsreformen anzustoßen. Eine nachhaltige Entwicklung muss nach den Prinzipien des UN-Entwicklungsprogramms auf der Solidarität mit den Armen beruhen. Miszei sagt weiter: "Wir sind zwar nicht so reich wie zum Beispiel die Weltbank. Unser Vorteil aber ist, dass wir mehr lokale Experten beschäftigen. Denn wir halten nichts davon, in ein Land einzufliegen, den Menschen dort Ratschläge zu geben, um dann wieder zu verschwinden. Wir wollen die Probleme in ihrer Tiefe erkennen, im lokalen Kontext."

Arbeitslosigkeit und Desintegration

Das Tätigkeitsfeld des UN-Direktors Kálmán Mizsei und seiner Mitarbeiter erstreckt sich von den Balkanländern über die europäischen und asiatischen Teile der ehemaligen Sowjetunion bis nach Zentralasien. Extreme Arbeitslosigkeit und Desintegration aufgrund von Staatszerfall gehören zu den Hauptproblemen dieser Regionen. Deshalb konzentriere sich das UNDP, so Miszei, "auf eine Politik, die den Menschen Arbeit bringt und die die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Ländern und ihren Weg in die EU erleichtert."

Reformvorschläge für die Ukraine

Man habe bereits bei den neuen EU-Mitgliedern beobachten können, dass die Perspektive einer Mitgliedschaft der wichtigste Motor bei wirksamen Reformanstrengungen war. So ist das UNDP ein Partner der EU, seine Arbeit ist aber stark praxis-orientiert. Ein Beispiel: die Ukraine. Anfang des Jahres hat das UNDP der neuen ukrainischen Führung unter Präsident Juschtschenko einen umfassenden Katalog von Reformvorschlägen unterbreitet.

Dezentralisierung der Machtstrukturen und Maßnahmen gegen ansteigende Korruption sind der Kern der Empfehlungen an die Ukraine. Hinzu müssten Sozialreformen kommen. Miszei sagt: "Ein weiteres Gebiet sind die Sozialreformen. Hier sollte die Politik weg von der Unterstützung der Reichen und hin zur Unterstützung der armen Schichten in der Bevölkerung. Wir haben zum Beispiel den Vorschlag gemacht, im Bildungsbereich mehr in die Grundausbildung zu investieren und die armen Regionen zu erreichen. Im Gesundheitswesen schlugen wir vor, mehr auf Prävention und Grundversorgung zu setzen."

Reintegration der Krim-Tataren

In einem anderen Projekt unterstützt das UNDP - in Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden - die Wiedereingliederung der tatarischen Bevölkerung auf der Krim. Von Stalin nach Zentralasien deportiert, können die Tataren nun wieder in ihre alte Heimat ziehen. Miszei: "Wir haben geholfen, Maßnahmen zu entwerfen, um diese Menschen zu reintegrieren: durch Hilfe beim Bau von Wohnhäusern und Schulen, aber auch von Begegnungszentren - die Tataren waren doch für die meisten Russen auf der Krim fremde Wesen."

Umweltkatastrophe am Aralsee

Ein anderes Beispiel: Usbekistan, wo das UNDP dabei hilft, die Folgen einer von Menschen verursachten Umweltkatastrophe am Aralsee zu lindern: Innerhalb von nur 40 Jahren hat sich die Wasserfläche des einst viertgrößten Sees der Welt durch Raubbau um 70 Prozent verringert, die Lebensgrundlage der Bewohner wurde so unwiederbringlich zerstört. Das UN-Entwicklungsprogramm hilft dort jetzt, kleine Betriebe aufzuziehen.

Partner Deutschland

Dabei arbeitet das UNDP auch mit deutschen Organisationen zusammen. Und diese Zusammenarbeit soll noch vertieft werden, kündigt Miszei an: "Wir hoffen, dass wir zusammen mit dem deutschen Ministerium für Entwicklung und Zusammenarbeit eine Folgekonferenz in Berlin veranstalten können, um mit den Geberländern eine weitere Zusammenarbeit in dieser sehr schwierigen Region Zentralasiens erörtern zu können. Mit der Friedrich-Ebert-Stiftung planen wir im Mai eine Konferenz über die Lage der Roma in Mitteleuropa. Und schließlich bereiten wir zusammen auch Projekte auf lokaler Ebene in der Ukraine - sowohl im Osten als auch im Westen des Landes."

Vladimir Müller,
DW-RADIO, 18.2.2005, Fokus Ost-Südost