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"Klimaschutz ist Friedenspolitik"

Das Interview führte Henrik Böhme11. Dezember 2007

Die Klimakonferenz auf Bali geht in die entscheidende Phase. In Oslo erhalten der Weltklimarat und Al Gore den Friedensnobelpreis. Achim Steiner, Chef des UN-Umweltprogramms UNEP, über Klimaschutz und Friedenspolitik.

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Achim Steiner diskutiert und gestikuliert mit seinen Händen (17.08.2006, Quelle: AP)
UNEP-Chef Achim SteinerBild: AP

DW-WORLD.DE: Ihre Botschaft lautet: Klimaschutz ist Friedenspolitik. Worin besteht der Zusammenhang zwischen diesen Bereichen?

Achim Steiner: Ich glaube, es kommt nicht von ungefähr, dass das Nobelpreiskommitee zwei Mal in drei Jahren den Friedensnobelpreis an Personen verliehen hat, die den Zusammenhang zwischen nachhaltiger Entwicklung, globaler Umweltpolitik und Friedenspolitik hergestellt haben. Was dadurch deutlich wird: Wir kommen in einem internationalen Zusammenhang immer mehr an einen Punkt, an dem Umweltveränderungen die Lebensgrundlagen von Nachbarn, von anderen Gesellschaften und Wirtschaften beeinträchtigen können. Das verleiht unserer Welt ein höheres Konfliktpotential. Denn wenn wir dem Einen sozusagen das Wasser abgraben, schaffen wir sozialen und auch ökonomischen Druck. Aus der Geschichte heraus wissen wir, dass unter solchen Umständen Konflikte sehr viel wahrscheinlicher werden.

Also sind Kriegsflüchtlinge sozusagen auch Klimaflüchtlinge?

Wir haben schon heute Umweltflüchtlinge in vielen Teilen der Welt. Durch Trockenheit und Überschwemmungen werden Menschen dazu gezwungen, ihren Lebensraum zu verlassen. Manchmal nur für ein paar Tage - aber immer häufiger auch dauerhaft. Damit entsteht sozialer Druck in den Gesellschaften, in denen diese Menschen aufgefangen werden müssen. Flüchtlingscamps zerstören beispielsweise die Umwelt um ihre Camps herum. Das führt wiederum zu Konflikten mit den ansässigen Dorfbevölkerungen.

Welches Zeichen muss von der Konferenz in Bali ausgehen?

Bali muss den Startschuss für die Verhandlung eines Nachfolgeprotokolls von Kyoto geben. Wir haben klare Ziele, die uns der Weltklimarat gegeben hat. Diese Ziele müssen in einem politisch und ökonomisch nachhaltigen Zusammenhang verhandelt werden. Die Staaten der Welt müssen sich mit Maßnahmen innerhalb ihrer eigenen wirtschaftlichen Entwicklung dazu zu verpflichten, an der Reduzierung von CO2 Emissionen eine aktive Rolle zu spielen. 2009 muss es ein Nachfolgeprotokoll geben. Ansonsten riskieren wir den Verlust des gesamten Klimarahmenwerkes, das wir bis jetzt sehr mühsam geschaffen haben.


"Klima ist nicht alles. Aber ohne Klima ist nichts", könnte man in Abwandlung eines Sprichwortes sagen. Würden Sie das unterschreiben?

Ja. Wir haben es geschafft, in nur 200 Jahren industrieller Entwicklung unser gesamtes natürliches Kapital bis an den Rand des Ruins zu treiben. Wir haben die Atmosphäre beeinflusst, den Wasserkreislauf, den Ernährungskreislauf in der Landwirtschaft. Wir schaffen es in einhundert bis zweihundert Jahren, tausende von Jahren der Geschichte zurückzudrängen und zwar mit acht Milliarden Menschen auf diesem Planeten. Das ist die Herausforderung im 21. Jahrhundert.


Welche Rolle würden Sie den Entwicklungsländern dabei zuschreiben?

Die Entwicklungsländer haben jedes Recht dazu, sich in Bali erst einmal hinzusetzen und zu sagen: "Was habt ihr Industrieländer eigentlich in den letzten zehn Jahren getan? Denn ihr habt euch verpflichtet, ein Kyoto-Protokoll zu unterzeichnen mit Minimalzielen und einige eurer Mitglieder sind noch nicht einmal bereit, diese Minimalziele zu erreichen. Warum sollen wir Entwicklungsländer euch vertrauen?" Dennoch sind die Entwicklungsländer bereit, Maßnahmen zu treffen und gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft zu handeln. Aber nicht, wenn sie den Preis dafür zahlen müssen, dass wir den ökonomischen Prioritäten in den Industrieländern Vorrang gegeben haben und scheinbar immer noch Vorrang geben.