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Ungültige Zeugnisse aus Südosteuropa

Emir Numanovic16. August 2012

Österreichische Hochschulen warnen vor ungültigen Zeugnissen privater Unis aus Südosteuropa. Viele Studenten, die in Wien weiter studieren möchten, werden abgelehnt - weil ihre Diplome in Österreich ungültig sind.

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Eine enttäuschte junge Frau mit Doktorhut blickt auf ihr Diplom (Symbolbild)
Bild: Fotolia/olly

Die Reise nach Wien hatte sich die Bosnierin Amila (die ihren vollständigen Namen nicht nennen will) anders vorgestellt: Sie wollte Freunde besuchen, Sehenswürdigkeiten besichtigen und nebenbei alle Formalitäten an der Wiener Universität erledigen. Doch als sie sich in Wien für einen Master-Studiengang anmelden wollte, erlebte sie den bisher größten Schock ihres Lebens. "Als sie mein Diplom sahen und den Namen der Uni, an der ich in Bosnien-Herzegowina studiert hatte, lehnten sie mich sofort ab. Die Referentin hat nur gemeint, dass mein bosnisches Diplom in Österreich ungültig ist. Das hat mir die Sprache verschlagen!"

In ihrem Heimatland hat sie an einer privaten Universität Wirtschaft studiert – und das Wort "international" ist ironischerweise sogar im Namen der Hochschule enthalten. "Am meisten ärgert es mich, dass sie mich an der Uni in Bosnien die ganze Zeit glauben ließen, ich kann mit meinem Diplom überall auf der Welt weiter studieren. Dabei haben sie das Diplom offenbar nirgendwo auf der Welt überprüfen lassen", stellt Amila enttäuscht fest.

Böse Überraschung im Ausland

Von solchen Fällen hört man an den österreichischen Universitäten immer öfter. Fast täglich sind ungültige Zeugnisse aus dem Ausland ein Thema im Beratungszentrum der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) in Wien - das ist die Vertretung der Studenten. Dort versuche man, Studenten mit derartigen Problemen zu helfen, doch oft könnten sie nur getröstet werden, erzählt Studentenberaterin Sanja Muratovic. "Eigentlich ist es eine einfache Sache: Wenn eine Universität in Österreich und in Europa das Zeugnis nicht anerkennt, dann haben die Betroffenen dort keinen gültigen Bachelor-Abschluss und könnnen sich nicht für ein Master-Studium einschreiben." Seitens dieser Bildungsinstitutionen sei es nicht fair, "wenn sie Leute anlügen und ihnen versprechen, sie könnten ihr Studium überall auf der Welt fortsetzen. Diese privaten Universitäten kosten oft enorm viel Geld und manche Menschen geben dafür oft ihren letzten Cent aus", beklagt Sanja Muratovic.

Porträt von Sanja Muratovic, Beraterin für Studenten in Österreich (Foto: DW/Emir Numanovic)
Studentenberaterin Sanja Muratovic versucht zu helfenBild: DW

Mit ähnlichen Problemen sehen sich nicht nur Studierende aus dem ehemaligen Jugoslawien konfrontiert, sondern auch einige aus Rumänien, Bulgarien oder der Slowakei. Seit Anfang des Jahres ist Muratovic bei der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) für die Beratung der ausländischen Studenten zuständig. Zwar seien ihr wesentlich weniger Fälle aus diesen Ländern als aus Bosnien begegnet, erklärt sie. Aber egal, aus welchem Land, alle Betroffenen würde man auf die gleiche Art betrügen: indem man ihnen den wirklichen Wert ihres künftigen Zeugnisses verschweige. "Wir haben schon viel erlebt. Leute werden wütend, wenn sie hier in Wien abgelehnt werden. Sie sind sauer und glauben niemandem mehr, auch uns in der Beratung nicht. Dann durchlaufen sie alle Instanzen und kommen wieder zurück - mit der schmerzhaften Erkenntnis, dass sie der falschen Uni drei oder vier Jahre ihres Lebens geschenkt haben", sagt Muratovic.

Welche Unis werden nicht anerkannt?

Wenn die betreffende Uni in Europa anerkannt ist, läuft der Wechsel problemlos. Es werden zwar Studieninhalte verglichen und es kann sein, dass in Österreich einige Prüfungen nachgeholt werden müssen. Doch grundsätzlich gibt es dabei keine Schwierigkeiten. Problematisch wird es, wenn Unis und deren Zeugnisse nicht anerkannt sind – und meistens handele es sich dabei um private Unis, sagt Muratovic.

Dr. Heinz Kasparovsky, Präsident des österreichischen Nationalen Informationszentrums für akademische Anerkennung, erklärt, dass man sich bei der Anerkennung von Zeugnissen aus dem Ausland an den ENIC/NARIC-Listen orientiere. ENIC bedeutet "Europäisches Netzwerk der Informationszentren für akademische Anerkennung", NARIC – "Netzwerk der nationalen Zentren für akademische Anerkennung". Diese Listen werden von den Bildungsministerien der jeweiligen Länder erstellt, in Zusammenarbeit mit den beiden europäischen Initiativen ENIC und NARIC. "Auf der Homepage sind alle europäischen Länder aufgelistet, zudem die USA. Wenn man sich dort ein Land aussucht, bekommt man eine Liste mit allen anerkannten Hochschulen und Universitäten", erklärt Kasparovsky. "Befindet sich eine Bildungsinstitution auf dieser Liste, gilt sie für uns als anerkannt. Natürlich werden das Niveau des Unterrichts und die Studieninhalten verglichen und es kann sein, dass einige Prüfungen in Österreich nachgeholt werden müssen. Aber grundsätzlich haben Zeugnisse dieser Institutionen bei uns grünes Licht." Doch Studenten von Unis, die nicht auf dieser Liste auftauchen, können in Österreich ihr Studium nicht fortsetzen.

Zusätzlich orientiert man sich im österreichischen Bildungsministerium auch an einer weiteren Liste, welche die deutsche Kultusminister-Konferenz erstellt hat. Die Datenbank wird ständig aktualisiert – denn es kann vorkommen, dass eine Institution, deren Zeugnisse zuerst als ungültig gegolten haben (Bewertung H-) inzwischen beim ENIC/NARIC-Netzwerk verifiziert worden ist (Bewertung H+) und neuerdings anerkannt wird.

"Ich habe nicht allzu viel nachgefragt"

Die so genannte Anabin-Liste ist auch eine Art Orientierung für die Berater bei der Österreichischen Hochschülerschaft, erklärt Sanja Muratovic, alle Informationen dazu gibt es auch auf der Homepage der ÖH. "Studienbewerber sollten sich in erster Linie gut informieren, bevor sie mit dem Studium beginnen. Sie müssen genau wissen, wie viel ihre künftigen Zeugnisse wert sind, wo sie gelten und wo nicht", fordert Muratovic.

Ein Hörsaal mit Studenten, die schreiben (Symbolbild Universität)
"Studenten müssen wissen, wie viel ihre künftigen Zeugnisse wert sind"Bild: picture-alliance/ dpa

Das war bei der Bosnierin Amila K. nicht der Fall: "Ich gebe zu, ich habe nicht allzu viel nachgefragt. Doch wenn man eine Uni besucht, die sich international nennt, dann geht man davon aus, dass auch ihr Diplom international anerkannt wird." Sie habe das Gefühl, reingelegt worden zu sein. "Ich bin aber auch selber schuld, weil ich der Werbung der bosnischen Uni geglaubt habe."

Vertreter der Österreichischen Hochschülerschaft haben sich bereits schriftlich an die zuständigen Ministerien in den jeweiligen Ländern gewendet und sie über die Probleme der Studenten in Wien informiert. Sie hoffen, das Schreiben werde nicht als Kritik verstanden, sondern als Einladung zur Zusammenarbeit. Es ist im Interesse aller Beteiligten, entweder das Niveau bestimmter Bildungsinstitutionen zu heben, oder sie einfach zu schließen.