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Ungarische Regierung plant Kahlschlag im Öffentlichen Dienst

15. Oktober 2003

– Gefahr für 60.000 Angestellte

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Budapest, 14.10.2003, BUDAPESTER ZEITUNG, deutsch

Die Regierung hat Mitte der vergangenen Woche entschieden, dass sie bis zum Jahresende in den Ministerien und Verwaltungsorganen zehn Prozent der Mitarbeiter entlässt. Das bedeutet, dass sich bis zu 60.000 Angestellte nach einem neuen Job umsehen müssen.

Der genaue Fahrplan der Entlassungen steht schon fest. Die Ministerien müssen bis zum 22. Oktober eine Übersicht erarbeiten, in welchen Bereichen der Personalabbau erfolgen kann, das Konzept soll noch Ende Oktober von der Regierung gebilligt werden. Trotz der Eile soll die größte Umsicht walten: "Unter Beachtung der Interessen der Mitarbeiter", so Regierungssprecher Zoltán J. Gál. Die Regierung hat den Ministerien vorgeschrieben, ihre Maßnahmen mit den Gewerkschaften abzustimmen.

Beim Arbeitsministerium wird außerdem eine Mannschaft aufgestellt, die den gekündigten Mitarbeitern so schnell wie möglich neue Arbeitsmöglichkeiten anbieten soll. So wird etwa ein Sonderprogramm aufgelegt, mit dessen Hilfe die Entlassenen auch bei Nonprofit-Organisationen oder Kommunalverwaltungen ein neues Tätigkeitsfeld finden. Gál zufolge werden Abfindungen und andere Kündigungszahlungen aus den zweckgebundenen Rücklagen des diesjährigen Staatshaushalts zugesichert.

Was die Kosten betrifft, die noch im kommenden Jahr anfallen werden, so tragen diese je zur Hälfte die betreffenden Ministerien und das kommende Budget. Eine genaue Zahl, wie viele Mitarbeiter tatsächlich mit ihrer Kündigung rechnen müssen, wollte Gál nicht nennen. Die Sparmaßnahmen der Regierung gehen noch weiter. Im Interesse der Bekämpfung von Verschwendung öffentlicher Gelder trennt sich die Regierung auch von mehreren 100 Autos, die Benutzung von Handys wird stark eingeschränkt, die Repräsentationsausgaben gekürzt und Tagesgelder bei Auslandsreisen vereinheitlicht.

Obwohl alle Parteien auf eine Abspeckung des überdimensionierten Staatsapparats gedrängt haben und der Regierung enorme Verschwendungssucht vorgeworfen haben, sprechen nun der oppositionelle Fidesz und der Landesverband der Arbeitsräte von "bisher nicht da gewesenen Entlassungen". Zoltán Pokorni, stellvertretender Vorsitzender der Partei, wählte drastische Worte: "Die Maßnahmen der Regierung sind eine Rasenmähertaktik und eine Neuauflage des Bokros-Sparpakets". Der Personalabbau werde nicht sinnvoll vorbereitet, sondern einfach vom Geldsparen motiviert.

Auch das Ungarische Demokratische Forum (MDF) kritisierte die drastischen und kurzfristig angesetzten Entlassungen. "Die Regierung hatte schon ihr Wahlversprechen nicht eingehalten, 400.000 neue Arbeitsplätze zu schaffen. Und jetzt kommen diese gewaltigen Entlassungen", so MDF-Parlamentarier István Balsai, Vorsitzender des Beschäftigungsausschusses. Auch bei den Staatsunternehmen Post und Bahn stünde die Entlassung mehrerer tausend Mitarbeiter bevor. Balsai: "Der Arbeitsmarkt steht vor einer mittleren Katastrophe". (fp)