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Ungarisches Verfassungsgericht legt Veto ein

12. November 2003

- Ausschuss zur Untersuchung der Stasi-Vergangenheit war ungesetzlich

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Budapest, 10.11.2003, BUDAPESTER ZEITUNG, deutsch, Denes Vajta

Die Aufstellung des Ausschusses zur Untersuchung der Stasi-Vergangenheit von Nach-Wende-Ministern war ungesetzlich. Das urteilte das ungarische Verfassungsgericht. Der Ausschuss wurde nach Bekanntwerden der Stasi-Verbindungen von Premier Péter Medgyessys im vergangenen Jahr ins Leben gerufen, sein Vorsitzender, der SZDSZ (Bund Freier Demokraten – MD)-Politiker Imre Mécs, gab ihm seinen Namen. Das Gremium fand unter den Mitgliedern jeder Regierung seit der Wende belastete Politiker. Diese stritten allerdings ab, dass sie der ungarischen Staatssicherheit Informationen zugespielt hätten.

Dem Verfassungsgericht zufolge habe es das Parlament versäumt, die Tätigkeit der ständigen und Interimsausschüsse zu regeln. Auch der gesetzliche Schutz der Persönlichkeitsrechte und der Privatsphäre sowie die Möglichkeit der Berufung gegen Entscheidungen des Ausschusses habe das Parlament nicht geregelt. Die Verfassungshüter setzten dem Parlament eine Frist bis zum 31. März, das Versäumte nachzuholen. Parlamentspräsidentin Katalin Szili veranlasste bereits die Behebung der monierten Punkte.

Die Opposition bezeichnete schon bei seiner Aufstellung die Tätigkeit des Untersuchungsausschusses als gesetzwidrig. Fidesz-Politiker nahmen nach einigen Sitzungen nicht mehr an der Arbeit teil. Dem ehemaligen Verfassungsrichter János Zlinszky zufolge hätte der Ausschuss nur die Vergangenheit der damaligen Regierungsmitglieder und nicht jene von früheren Ministern untersuchen dürfen. Zurzeit ruht die Arbeit des Ausschusses, im September schloss er seine Arbeit vorläufig ab.

Imre Mécs reagierte auf die Entscheidung des Gerichtshofs mit Gelassenheit. "Die Entscheidung ist korrekt", meinte Mécs, die mangelnde gesetzliche Regelung sei auch von ihm und anderen Ausschussmitgliedern bemerkt worden. Mécs zufolge müsse auch das Datenschutzgesetz überprüft werden, dies sei zweideutig. Einerseits sehe das Gesetz den Schutz der persönlichen Daten vor, andererseits sei die Veröffentlichung der Daten von allgemeinem Interesse.

Der MDF (Ungarisches Demokratisches Forum – MD)-Politiker András Csáky freute sich über die Entscheidung der Verfassungshüter. Sie sei konform zum Standpunkt seiner Partei. Auch Ervin Demeter (Fidesz) (Bund Junger Demokraten – MD)) zufolge hätten die Regierung und die Koalitionsparteien eine scharfe Mahnung bekommen. Ein ungarischer Verfassungsjurist sieht allerdings grundlegende Probleme in der Angelegenheit. Es sei fraglich, ob das Verfassungsgericht über die Kompetenz verfüge, den umstrittenen Parlamentsbeschluss über den Ausschuss als verfassungswidrig zu erklären. Das entsprechende Gesetz sei widersprüchlich. (fp)