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Ungarn vor Regierungswechsel

22. April 2002

– Vorläufiges Endergebnis der Stichwahlen am Sonntag

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Budapest, 22.4.2002, BUDAPESTER ZEITUNG, deutsch

Ungarn wird in den kommenden vier Jahren sozialliberal regiert werden. Die konservative Fidesz-MDF-Wahlallianz (Bund Junger Demokraten – Ungarisches Demokratisches Forum- MD) gewann zwar die gestrige (21.4.) Stichwahl knapp vor der MSZP (Ungarische Sozialistische Partei - MD), doch mit Hilfe des Vorsprungs aus dem ersten Durchgang vor zwei Wochen und den Mandaten des linksliberalen SZDSZ (Bund Freier Demokraten - MD) reicht es der Opposition zum Regierungswechsel.

Die neue Regierung wird über eine Mehrheit von zehn Sitzen verfügen. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis werden Fidesz und MDF mit 188 Abgeordneten im neuen Parlament vertreten sein, die Sozialisten errangen 178 Sitze, die Liberalen 20. Péter Medgyessy Meddjeschi- MD) wird somit voraussichtlich neuer Premier.

Dennoch gilt es abzuwarten, ob Präsident Ferenc Mádl sogleich Medgyessy mit der Kabinettsbildung beauftragen wird. Formell könnte Mádl mit Viktor Orbán den Kandidaten der stärksten Fraktion beauftragen, was aufgrund der Koalitionsabsicht von MSZP und SZDSZ aber scheitern würde. Mádl sagte, dass er in den kommenden Tagen Gespräche mit den Parteien führen werde.

71,19 Prozent aller Wahlberechtigten gaben gestern ihre Stimme ab. Knapp sechs Millionen Ungarn waren dazu aufgerufen, in den 131 der 178 Wahlkreisen ihr Kreuz zu machen, in denen vor zwei Wochen kein Kandidat die absolute Mehrheit erringen konnte. Fidesz gewann gestern weitere 55 Direktmandate und kam damit auf insgesamt 75, für einen Machterhalt hätte der Fidesz 85 Direktmandate gebraucht. Die erste Runde hatte die MSZP mit 42,1 Prozent vor der Fidesz-MDF-Allianz mit 41,2 Prozent gewonnen und auch mehr Direktmandate errungen.

"In erster Linie haben die ungarischen Wähler gesiegt", kommentierte MSZP-Kandidat Péter Medgyessy das Ergebnis vor seinen Anhängern, die ihn mit frenetischem Beifall feierten. Er kündigte an, die Gräben in der Gesellschaft, die im Wahlkampf sichtbar wurden, schnell zuzuschütten. "Ich will Ministerpräsident von zehn Millionen Ungarn sein – nicht von zwei Mal fünf Millionen." Medgyessy kündigte rasche Koalitionsverhandlungen mit dem SZDSZ an. "Die hohe Wahlbeteiligung gibt unserer Regierung eine starke Legitimation."

Viktor Orbán gratulierte Péter Medgyessy und wünschte ihm Erfolg für dessen Arbeit. "Das Zünglein an der Waage hat am Ende den Ausschlag für die Sozialisten gegeben." Er betonte unter lauten "Ria-Ria-Hungária"-Rufen seiner Anhänger allerdings den Sieg seiner Partei im zweiten Durchgang. "Wir haben eine Schlacht verloren, aber um unsere Sache steht es gut." Orbán bedankte sich besonders bei den Landwirten und Jungwählern, um die seine Partei besonders in den letzten Tagen gekämpft hatte. In Anspielung auf die Auslandsungarn und Medgyessys Rede betonte Orbán allerdings zweifach, dass Ungarn nicht nur aus zehn Millionen Bürgern bestehe, "sondern aus einem Volk von 15 Millionen Menschen".

Die MDF-Vorsitzende Ibolya Dávid erkannte die Wahlniederlange an. "Zusammen mit dem Fidesz sind wir aber die stärkste Fraktion. Wir werden erst in den kommenden Tagen entscheiden, ob wir eine eigene Fraktion bilden werden." Falls sie dies tut, wird die MSZP größte Fraktion.

Fidesz-Chef Zoltán Pokorni erklärte, dass das Ergebnis noch nicht feststehe, da in den Wahlkreisen, in denen der Vorsprung geringer als ein Prozent sei, nachgezählt werden müsse. Dies betreffe etwa den Wahlkreis in Szerencse. "Das Land wird friedlicher und stärker sein als zuvor", kommentierte SZDSZ-Chef Gábor Kuncze. (fp)