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Ungarn wählt ein neues Parlament

Tamás Szabó9. April 2006

Ungarn wählt ein neues Parlament. Meinungsumfragen zufolge wird es ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den regierenden Sozialisten und der oppositionellen Bürgerallianz geben.

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Das ungarische Parlament in BudapestBild: AP

Ungarn geht am Sonntag in die erste Runde seiner Parlamentswahl. Wegen des Wahlsystems - eines der der kompliziertesten weltweit - und des sich abzeichnenden knappen Ergebnisses fällt die Entscheidung voraussichtlich erst in einer zweiten Runde am 23. April.

Der Wahlkampf erwies sich - wie erwartet und befürchtet - als sehr hart; die beiden sich unversöhnlich gegenüberstehenden Lager kämpften um jede einzelne Stimme: Die regierenden Sozialisten und die oppositionelle Bürgerallianz mit ihren Spitzenkandidaten Ferenc Gyurcsány und Viktor Orbán. Beide Politiker stammen vom Land, sind fast gleichaltrig, haben bereits das Amt des Regierungschefs bekleidet - und beide geben sich dynamisch und entscheidungsfreudig.

Ministerpräsident von sich selbst überzeugt

Ministerpräsident Gyurcsány wirbt mit dem bisher Erreichten um seine Bestätigung: "Wir sind stolz darauf, dass sich das Land in Bewegung gesetzt hat, dass wir Hunderttausenden und Millionen von Menschen die Hoffnung zurückgegeben haben, dass man in Ungarn besser leben kann."

Ungarn Wahlausgang
2002 gewann die sozialistische MSZP die Wahl. Links im Bild: der inzwischen abgelöste Premier Péter MedgyessyBild: AP

Der 45-jährige Multimillionär beerbte im September 2004 nach einem umstrittenen parteiinternen Putsch das Amt des farblosen und unglücklich agierenden Premiers Péter Medgyessy. Gyurcsány enttäuschte das Vertrauen der Rebellen in seiner Partei nicht und führte die Sozialisten aus dem Tal der Tränen heraus - vor zwei Jahren lagen sie noch weit abgeschlagen hinter der Bürgerallianz. Nun hat er die Chance, auch die Wahlen zu gewinnen: "Die Wahl wird auch eine Entscheidung sein. Entweder machen wir einen Schritt nach vorne oder wir kehren um. Ich schlage vor: wir machen einen Schritt nach vorne - auf dem Weg der gemeinsamen Arbeit und Verantwortung, auf dem Weg der ruhigen, mutigen und klugen Kompromisse."

Viele Versprechen

Der Sozialist Gyurcsány tritt ein für einen starken Staat, der effektiv und dienstleistungsorientiert ist und die Wettbewerbsfähigkeit sichert. Immer wieder betont er den hohen Stellenwert der sozialen Gerechtigkeit und eine Stärkung der demokratischen Werte. Er verspricht viel: einen höheren Lebensstandard, eine Perspektive für die Schwachen und vor allem Arbeitsplätze - und das, obwohl das Donau-Land im EU-Vergleich bereits heute nicht schlecht dasteht: Die Arbeitslosenquote liegt bei 7,3 Prozent.

Gyurcsánys Herausforderer Viktor Orbán, der bereits von 1998 bis 2002 Ministerpräsident war, will sogar die Vollbeschäftigung erreichen. Zudem plant er weitreichende Änderungen, die nach vier Jahren sozialliberaler Regierung aus seiner Sicht nötig sind: "Ungarn hat sich damit abgefunden, dass wir schlechter leben, dass wir uns schon darüber freuen sollen, wenn die Lage heute nur ein bisschen schlechter ist als sie gestern war."

Der 43-Jährige Orbán glaubt, das richtige Rezept zu kennen: Ungarn brauche eine Regierung der Solidarität, einen solidarischen Staat. Mit seiner Fidesz-MPSZ will er zur Tat schreiten: "Wir brauchen keine Versprechungen, sondern Lösungen. Wir sollen mutig aussprechen, dass es uns schon einmal gelungen ist, die ungarische Wirtschaft in Ordnung zu bringen. Wir haben bewährte Lösungen. Wir werden sie wieder anwenden, falls wir das Vertrauen bekommen."

Orbán möchte mit seiner "solidarischen Marktwirtschaft" den "wilden Kapitalismus" beenden. Dabei macht er verheißungsvolle Versprechungen: Steigerung der Renten, niedrigere Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitnehmer und eine Senkung der Einkommenssteuer. Davon sollen vor allem Familien und Kleinunternehmen profitieren.

Wer soll das bezahlen?

Während sich die Bürger auf die Wahlgeschenke freuen, schaut die Finanzwelt besorgt nach Ungarn und stellt die bange Frage: Wie werden die Versprechungen finanziert? In der Tat sind die finanziellen Rahmenbedingungen ungünstig: 2005 erreichte das Haushaltdefizit 6,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, und auch der Schuldenstand nähert sich der Maastrichter Obergrenze. Der notorische Defizitsünder Ungarn muss bis September eine neue Konjunktur- und Haushaltsplanung vorlegen. Da die Wahlversprechungen traditionell erfüllt werden, bleibt es ein Rätsel, wie die neue Regierung - wer immer sie auch stellen wird - ein EU-konformes Papier zu Stande bringen kann.