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Orban will Verfassungsreform durchboxen

11. März 2013

Studentenproteste und Einwände aus dem Ausland blieben wirkungslos. In Ungarn will die konservative Regierungsmehrheit von Ministerpräsident Orban am Montag im Parlament umstrittene Änderungen der Verfassung durchsetzen.

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Blick auf das Gebäude des Parlaments in Budapest (Archivfoto 2004, AP)
EU Erweiterung Ungarn Parlament in BudapestBild: AP

Es sind gravierende Korrekturen am Grundgesetz, die die ungarische Regierung da vorantreibt. Die Novelle schränkt unter anderem die Befugnisse des Verfassungsgerichts ein und erlaubt es der Regierung, stärker in die Justiz und ins Hochschulwesen einzugreifen. Die Fidesz-Partei des machtbewussten Ministerpräsidenten Victor Orban verfügt über die notwendige Zweidrittelmehrheit im Parlament.

Die sogenannte 4. Verfassungsnovelle ergänzt das erst seit Anfang 2012 geltende neue Grundgesetz. Sie schreibt vor, dass das Verfassungsgericht künftig vom Parlament beschlossene Änderungen der Verfassung nur noch in verfahrensrechtlicher Hinsicht, nicht aber inhaltlich prüfen darf. Eine weitere Bestimmung sieht vor, dass die Präsidentin des Nationalen Justizamtes - eine von Orban eingesetzte, loyale Funktionärin - bestimmte Fälle bestimmten Gerichten zuweisen kann.

Andere Bestimmungen erheben Gesetze in den Verfassungsrang, die zuvor vom Verfassungsgericht gekippt wurden. Darunter fallen die willkürliche Zuteilung des Kirchenstatus durch die Regierungsmehrheit im Parlament, das Verbot von Wahlwerbung im privaten Fernsehen und die Kriminalisierung von Obdachlosen.

Ungarns Präsident Ader in Deutschland

Ungarns Präsident Janos Ader ist zum Auftakt eines Deutschland-Besuchs  von Bundespräsident Joachim Gauck empfangen worden. Anschließend kamen die beiden Staatschefs zu einem Gespräch zusammen. Dabei dürfte es auch um die umstrittene Änderung der ungarischen Verfassung gegangen sein.  Ader hält sich bis Dienstag in Deutschland auf. Auf dem Programm stehen ein Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie eine Besichtigung der Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. Ader, der aus der rechtskonservativen Regierungspartei Fidesz kommt, wurde im Mai 2012 zum ungarischen Präsidenten gewählt.

Tausende Ungarn protestieren in Budapest gegen die geplante 4. Verfassungsnovelle (Foto: picture alliance)
Tausende Ungarn protestieren in Budapest gegen die geplante vierte VerfassungsnovelleBild: picture-alliance/dpa

Proteste gegen Aushöhlung der Verfassung

Am Samstag hatten tausende Menschen vor dem Parlament in Budapest gegen die vorgesehenen Verfassungsänderungen demonstriert, die ihrer Meinung nach die Bürgerrechte einschränken. Zu der Kundgebung hatten die Menschenrechtsorganisation Amnesty International, Bürgergruppen und andere Nichtregierungsorganisationen aufgerufen. Das Nachrichtenportal Index gab die Teilnehmerzahl mit 4000 an.

Die Demonstranten kritisierten, dass die Änderungen die Autonomie der Universitäten einschränkten und die Empfänger staatlicher Stipendien verpflichteten, nach dem Studium in Ungarn zu arbeiten. Zudem kritisierten sie, dass unverheiratete, kinderlose oder gleichgeschlechtliche Paare nicht in die Definition von Familie eingeschlossen werden.

Fidesz-Zentrale gestürmt

Bereits am Donnerstag hatten studentische Aktivisten überraschend den Vorgarten des Sitzes der Fidesz gestürmt und stundenlang besetzt. Die Proteste standen unter dem Motto "Die Verfassung ist kein Spielzeug". Redner warfen Orban vor, durch die Eingriffe in die Verfassung seine Machtposition festigen zu wollen.

Die Regierung hatte seit ihrem Antritt im Jahr 2010 mit Gesetzen und Verfassungsänderungen die Unabhängigkeit der Justiz, der Presse und der Zentralbank eingeschränkt und damit scharfe Kritik im In- und Ausland auf sich gezogen. Die EU-Kommission hatte drei Verfahren gegen Budapest eingeleitet.

Auch die neuen Pläne stoßen in Brüssel auf Kritik. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso forderte Orban am Freitag in einem Telefonat auf, von der Verfassungsreform abzusehen, weil diese den Prinzipien eines Rechtsstaates widerspreche. Auch die Bundesregierung hatte Budapest unlängst zur Achtung des Rechtsstaates aufgerufen.

Ungarn: Orban übt nun Macht über Notenbank

kle/as (dpa, afp)