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Ungarns Produktivität und Löhne ein Hindernis beim EU-Betritt

15. Februar 2002

– Das Land muss bei der Produktion 40 Prozent und bei den Löhnen 60 Prozent aufholen

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Budapest, 15.2.2002, PESTER LLOYD, deutsch

Auch die Beratungsfirmen legen den Finger immer deutlicher auf die Wunde: Zu den Haupthindernissen für einen ungarischen EU-Beitritt zählen die enormen Rückstände in Sachen Produktivität und Löhne. Erhebungen von Czipin&Proudfoot Consulting zeigen, dass die Ungarn auf dem ersten Gebiet noch 40 Prozent, bei den Löhnen sogar 60 Prozent aufzuholen haben. Das österreichische Unternehmen rechnet interessanterweise 2005 mit einem Beitritt.

Die Vorstellung der Studie vergangene Woche in Budapest sollte belegen, dass die Chancen der Beitrittskandidaten in erster Linie von Wirtschaftsfaktoren abhängen. Bei der Produktivität liegen sie weit unter dem EU-Durchschnitt. Ungarn rangiert da noch auf einem hervorragenden Platz gemeinsam mit den Tschechen und deutlich vor Polen. Im Durchschnitt trennen die Kandidaten und die heutigen EU-Mitgliedsstaaten 59 Prozent, was Welten sind. Auf dem Feld der Produktivitätszuwächse führt Ungarn mit Slowenien (17 Prozent) vor der Slowakei (13 Prozent), Polen (zwölf Prozent) und Tschechien (sieben Prozent) – so viel konnten diese Länder binnen fünf Jahren zulegen.

Ungarn scheint in dieser Beziehung zudem das größte Wachstumspotential zu besitzen. In einem internationalen Vergleich rechnen 62 Prozent der befragten ungarischen Führungskräfte mit einem anhaltenden Produktivitätsschub, und das sind mehr als in Österreich (59 Prozent), Deutschland (55 Prozent) und Großbritannien (53 Prozent). Ein Wermutstropfen ist, dass die in Ungarn gemessenen 62 Prozent den niedrigsten Wert seit drei Jahren darstellen. Der Rückstand auf dem Lohnfeld ist unterdessen noch gestiegen. Das kann nichts aus dem Zusammenhang der Produktivitätssteigerung gerissen werden, denn die war zwischen 1995 und 1999 viermal dynamischer als die Lohnentwicklung in diesem Lande.

Mit anderen Worten wurde der Produktivitätsgewinn nicht aufgeteilt. Ganz anders als in Polen, wo die Löhne doppelt so schnell wuchsen, was aber auch zu Kostenexplosion und Rezession führte.

Wie Czipin herausfand, gingen die Lohnkosten pro produzierter Einheit in Ungarn in dem untersuchten Zeitraum von 25 Prozent auf 16 Prozent (!) zurück. In Tschechien ergaben sich zur gleichen Zeit verhaltenere (von 21 Prozent auf 24 Prozent) und in Polen die besagten stürmischen Zuwächse (von 10,5 Prozent auf 25,2 Prozent).

Ist Ungarn nun mit der Unterbezahlung seiner Arbeitskräfte gut gefahren? Wie die österreichischen Forscher meinen, gibt es nur einen Weg, um den unglaublichen Rückstand wettzumachen: Die fortgesetzte Steigerung der Produktivität, sofern sich das auch in wachsenden Löhnen niederschlägt. (fp)