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Ungefragt dazugehören

Priya Esselborn12. Oktober 2004

Sie sind dort geboren und aufgewachsen - und doch ein bisschen fremd. Inder der zweiten Generation in Deutschland leben mit kuriosen Fragen, exotischem Namen und Vorurteilen. Aber manchmal ist Anderssein auch eine Hilfe.

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Bunt und exotisch - typisch indisch?Bild: AP

Eine Wissenschaftlerin an der Universität Frankfurt/Oder, ein "Grünen"- Abgeordneter im Deutschen Bundestag und eine Moderatorin beim Fernsehsender Vox: drei Menschen aus völlig unterschiedlichen Bereichen. Und doch verbindet Urmila Goel, Josef Winkler und Nandini Mitra etwas ganz Besonderes miteinander. Denn sie alle sind Inder der zweiten Generation in Deutschland - hier geboren und aufgewachsen. Das kann eine Last sein - und gleichzeitig ein Geschenk.

Schön, wenn mal keiner fragt

Wie im Fall von Nandini Mitra. "Es ist für mich ein angenehm neues Gefühl, wenn ich mal nicht anders bin, das heißt in Indien in meiner Familie", sagt sie. Wenn sie dort sei, dann finde sie es "wunderschön, Teil der Gruppe zu sein und es wird nicht gefragt".

In Deutschland dagegen muss die Moderatorin oft erklären, aus welchem Land sie denn nun kommt. Doch inzwischen, sagt Nandini Mitra, profitiert sie von ihrem "Anderssein". Denn ihr exotisches Aussehen ebnete ihr den Weg vom erfolgreichen Model zur gefragten Moderatorin. "Jeder Sender braucht eben seinen Quotenbrownie", sagt sie lachend.

Auf der Suche nach den eigenen Wurzeln

Nandini Mitras Vater stammt aus Kalkutta, doch sie wuchs in der Nähe von Hamburg auf. Als Inderin der zweiten Generation war es für sie schwierig, ihre Wurzeln und ihre wahre Identität zu finden. Noch heute ist ihre Suche nicht abgeschlossen.

Ähnlich ging es Urmila Goel von der Viadrina-Universität Frankfurt/Oder. Sie empfand es schon früh als störend, als Indien-Expertin zu gelten: "Woher sollen wir wissen, wie es in Indien ist? Wir sind nun mal in Deutschland aufgewachsen."

Zu wenig, um groß aufzufallen

Während in Deutschland viele Millionen Türken leben, gibt es nur etwa 40.000 Inder oder indischstämmige Menschen in Deutschland. Josef Winkler, Abgeordneter der Grünen im Deutschen Bundestag, sieht in der geringen Zahl auch einen Vorteil: "Das sind einfach zu wenige um wirklich wahrgenommen zu werden - allerdings auch zu wenige, um wirklich als Bedrohung wahrgenommen zu werden."

Gerade weil man in Deutschland häufig noch nicht genug über Indien und seine Kultur weiß, geriet Josef Winkler schon oft in kuriose Situationen. Seine Mutter stammt aus dem südindischen Bundesstaat Kerala, dort sind über 25 Prozent der Einwohner Christen. Trotzdem musste Winkler, der Katholik ist, schon oft den Hinduismus erläutern, nur weil er indischer Herkunft ist.

Und wann immer Winkler mit der Bahn unterwegs war, erwartete er insgeheim schon den Kommentar des Schaffners: "Früher gab es die Bahncard ohne Foto, und die Schaffner gingen immer davon aus, dass ich das Ding irgendwem geklaut habe." Aber Winkler nimmt das locker, "denn viele Leute meinen es ja nicht böse. Ich merke ja schon, wenn jemand mich wirklich diskriminieren will, dann wehre ich mich natürlich auch."

Zwischen Begeisterung und Verachtung

Auf Vorurteile angemessen zu reagieren ist schwierig. Urmila Goel hat ihren eigenen Weg gefunden, mit dem Indienbild in Deutschland umzugehen, das zwischen Spiritualität, Frauenunterdrückung und begnadeten Computer-Kennern pendelt. "Ich versuche, das dann auszugleichen. Wenn mir jemand entgegenkommt, der furchtbar begeistert ist, dann denke ich, so toll ist es doch gar nicht. Und wenn jemand zu mir kommt mit Frauenunterdrückung, dann relativiere ich das."

Indien ist Trend - und doch fremd

Vor allem im Lifestylebereich nimmt man gerne nur das Glamouröse von Indien wahr. Die opulenten Bollywood-Filme, die farbenprächtigen Saris und Stoffe, das fremdländische Essen - Indien liegt derzeit voll im Trend.

Auch eine eigene Subkultur hat sich in Deutschland gebildet. Im Internet gibt es Portale und Foren für die indische Community sowie in jeder großen Metropole ein mehr oder weniger reichhaltiges Kulturangebot. Dennoch sind sich Nandini Mitra, Urmila Goel und Josef Winkler einig: Von einer aufgeschlossenen multikulturellen Gesellschaft ist Deutschland noch weit entfernt.