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Ungenutzte Potenziale

Bernd Gräßler19. April 2012

Deutschlands Arbeitsmarkt ist für ausländische Absolventen hiesiger Hochschulen attraktiver geworden. Viele möchten auch nach dem Studium bleiben - doch die Willkommenskultur ist steigerungsfähig.

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Internationale Austauschstudenten nehmen an einer Vorlesung an der Handelshochschule Leipzig (HHL), der einzigen privaten Business School in Ostdeutschland, teil, aufgenommen am 30.09.2011. Die Hochschule wurde im April 1898 gegründet, gilt als Wiege der deutschen Betriebswirtschaftslehre und ist heute eine der führenden Business Schools in Europa. An der 1992 neu gegründeten Hochschule haben bisher jährlich rund 300 Absolventen von Universitäten aus aller Welt ihr Hauptstudium Betriebswirtschaftslehre oder ihr MBA- oder M.Sc.-Studium abgeschlossen. Foto: Jan Woitas
Internationale Austauschstudenten HHL LeipzigBild: picture alliance/ZB

Immer mehr ausländische Studierende an deutschen Hochschulen können sich ihr Gastland auch als ihren künftigen Arbeitsort vorstellen und würden nach dem Studium gern mehrere Jahre hier bleiben. In einem Vergleich der Bleibeabsichten von angehenden Master-Absolventen in fünf europäischen Ländern liegt Deutschland deutlich vorn: 80 Prozent der befragten Nicht-EU-Ausländer streben einen Berufseinstieg im Gastland an. In Großbritannien sind es nur rund 50 Prozent.

Für eine Studie zu den Bleibeabsichten wurden über 6200 Master-Studierende und Doktoranden an 25 Universitäten in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden und Schweden befragt. Ausschlaggebend für diejenigen, die nach dem Studium zunächst nicht in ihre Heimat zurückkehren wollen, sind die guten Arbeitsmarktaussichten sowie der Wunsch, Erfahrungen auf dem internationalen Arbeitsmarkt zu sammeln.

Einiges getan

Die gestiegene Beliebtheit Deutschlands hängt nach Ansicht von Gunilla Fincke, Direktorin des Forschungsbereich beim Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) damit zusammen, dass man hierzulande eine "überfällige Liberalisierung" beim Zugang von Hochschulabsolventen zum deutschen Arbeitsmarkt eingeleitet habe, während beispielsweise in Großbritannien und Frankreich eher Restriktionen für Nicht-EU-Studenten diskutiert würden. Diese reagierten sensibel auf die politischen Debatten zur Zuwanderung in ihren jeweiligen Gastländern.

Dr. Gunilla Fincke vom Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR). Copyright: David Ausserhofer 2012
Gunilla Fincke: "Deutschland schöpft die Potenziale der hoch qualifizierten Zuwanderer nicht aus"Bild: David Ausserhofer

Deutschland ist attraktiver geworden, weil für die begehrten ausländischen Absolventen nicht nur die sogenannte Vorrangprüfung beim deutschen Arbeitsamt abgeschafft wurde (es muss nicht mehr prüfen, ob für die gleiche Stelle ein Deutscher oder ein EU-Ausländer zur Verfügung steht), sondern auch weitere Lockerungen bevorstünden. So hat die Bundesregierung angekündigt, dass ausländische Absolventen künftig anderthalb Jahre Zeit haben, auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, und zwar auch in Tätigkeiten, die eigentlich nicht ihrer Qualifikation entsprechen. Sie sollen außerdem - statt bisher nur 90 Tage im Jahr - in diesen Jobs auch Vollzeit arbeiten dürfen. Das Gesetz muss allerdings noch durch Bundestag und Bundesrat.

Viele wollen, doch nur wenige bleiben

Derzeit, darauf macht die Studie aufmerksam, klafft allerdings noch eine große Lücke zwischen den bekundeten Absichten und der Realität. Letztlich waren es in Deutschland, ähnlich wie in anderen untersuchten Ländern, nur rund ein Viertel aller ausländischen Studierenden, die sich tatsächlich zum Bleiben entschlossen. Beklagt werden in der Studie fehlende Informationen über die rechtlichen Möglichkeiten, in Deutschland zu bleiben. Der Forschungsbereich schlägt vor, die entsprechenden Angebote unter dem griffigen Namen Young Talent Card zusammenzufassen. Als Gründe, Deutschland doch lieber wieder den Rücken zu kehren, werden die starke Reglementierung durch die Ausländerbehörde und Diskriminierungen im Alltag genannt. Derartige schlechte Erfahrungen haben in Deutschland beispielsweise fast 40 Prozent der Befragten gemacht. Ähnlich hoch ist der Wert in Frankreich.

Auf ein spezifisch deutsches Problem weisen die meisten in Deutschland eingesandten Antworten bereits auf den ersten Blick hin: Sie sind in Englisch abgefasst, obwohl man bei Akademikern gute Sprachkenntnisse ihres Gastlandes erwartet.

Auch für Akademiker: Deutsche Sprache, schwere Sprache

Er fände es gut, wenn die Regierung oder die Universität eine Agentur unterhalten würden, die sich um englischsprachige Studierenden kümmert, die bleiben möchten, schlägt ein chinesischer Mathematikstudent dagegen vor.

Nur 38 Prozent der in Deutschland Befragten bescheinigen sich selbst ein "fortgeschrittenes" Niveau bei der Beherrschung der deutschen Sprache. Kein Wunder, denn um möglichst viele ausländische Studenten anzulocken sind die  Sprachanforderungen für ein Studentenvisum gering. Dies führe "teilweise zu dem Irrglauben, man könne allerorten ganz gut ohne Deutschkenntnisse zurechtkommen", heißt es in der Studie. Das ist zwar in den englischsprachigen Studiengängen an deutschen Unis möglich, nicht aber später in den vielen mittelständischen Betrieben hierzulande.

Vier Gaststudenten auf einem Bild. (Foto: Zulma Parra Berlin)
Die Sprachbarriere ist für viele Akademiker noch ein HindernisBild: Z.Parra

Ein andere Annahme scheint die Studie auch zu wiederlegen: Dass international Studierende von vornherein ein Sprungbrett zur dauerhaften Einwanderung in ein hochentwickeltes Land suchen. Nur 13 Prozent der Befragten geben an, nach Studienende länger als fünf Jahre in Deutschland bleiben zu wollen.