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Ungewissheit im Westjordanland

Tania Krämer27. September 2012

Palästinenser-Präsident Abbas hat die Vollversammlung der Vereinten Nationen darum gebeten, den Status der Palästinenser bei den UN aufzuwerten. Doch sein Volk hat derzeit ganz andere Sorgen.

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Al-Manara-Platz (Foto: DW)
Bild: DW

Auf dem zentralen Al-Manara-Platz in Ramallah stockt der Verkehr wie immer. Taxifahrer Karim Rumani nimmt es gelassen. Er, den alle hier nur Kimo nennen, hat ganz andere Sorgen. Alles sei so teuer geworden, sagt der Vater von sechs Kindern. Auch deshalb hat er vor zwei Wochen mit anderen Bus- und Taxifahrer-Kollegen protestiert. Sie hatten kurzerhand Straßen in mehreren palästinensischen Städten blockiert, um gegen eine Erhöhung der Spritpreise zu demonstrieren. Zwar wurde der Spritpreis wieder gesenkt, doch der Unmut ist geblieben. "Die Situation ist unerträglich geworden. Die Preise steigen ständig an", meint Rumani. "Und unsere Regierung macht nicht viel."

Leere Kassen

Die Regierung muss derzeit vor allem sparen. Die Kassen der palästinensischen Autonomiebehörde sind weitgehend leer, das Defizit ist hoch und man hängt am Tropf internationaler Geldgeber. Hohe Preise, ausstehende Lohnzahlungen und angekündigte Sparmaßnahmen sorgen für zunehmenden Unmut unter Palästinensern. Da ist es auch kein Trost, dass die Weltbank in ihrem neuesten Bericht deutlich festhielt, dass die israelische Besatzung keine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung zulässt.

Auch in der Bäckerei Al Arabi bekommt Umm Mohammad die Sorgen und Nöte ihrer Kunden mit. Seit den frühen Morgenstunden herrscht in der Familienbäckerei Hochbetrieb. Eigentlich müsste sie den Brotpreis anheben, da die Kosten für Mehl und Ladenmiete gestiegen sind. Doch die Regierung hat vorerst die Brotpreise eingefroren - auch, um Protesten vorzubeugen. "Es ist auch für mich nicht einfach, wenn ein Kunde kommt und fragt, warum das Brot so teuer ist", erzählt Umm Mohammad. "Wir haben für zwei, drei Tage wenige Cents mehr verlangt. Und dann haben gleich alle gesagt: 'Das ist doch viel zu teuer.' Dann sind wir aus eigenen Stücken wieder zum alten Preis zurück."

Stagnation auf allen Ebenen

Die Wirtschaftskrise im Westjordanland ist nicht das einzige, was die Stimmung trübt. Dazu kommt das Gefühl, dass auch sonst nichts voran geht. Weder was die lange überfälligen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen angeht, noch was eine Versöhnung zwischen Fatah und Hamas betrifft. Den neuen Vorstoß von Präsident Abbas, bei den Vereinten Nationen erneut um eine Mitgliedschaft zu werben, sorgt dieses Jahr für wenig Begeisterung. "Mal abwarten", meint Umm Mohammad. "Sie reden immer viel, aber wir sehen hier keine Veränderung." Ein Kunde ist anderer Meinung: "Ich denke, es könnte uns helfen. Die Besatzung erdrückt uns und die Wirtschaft. Als anerkanntes Mitglied, wenn auch nicht als Vollmitglied, wird sich die Situation ändern, weil wir unter internationalem Recht stehen."

Umm Mohammad (Foto: DW)
Umm MohammadBild: DW

Die Euphorie des vergangenen Septembers über die geplante UN-Vollmitgliedschaft ist verflogen. Auch der voriges Jahr feierlich eingeweihte Platz der Vereinten Nationen, gleich neben der Mukata, dem Amtssitz von Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas, scheint seine Symbolkraft verloren zu haben. Statt der Fahnen aller UN-Mitgliedsstaaten flattern heute nur die gelben Flaggen der im Westjordanland dominierenden Fatah. Vor einem Jahr war Abbas in einem Triumphzug von New York zurückgekehrt. Allem internationalen Druck zum Trotz hatte er einen Aufnahmeantrag im Völkergremium eingereicht. Doch es kam noch nicht einmal zur Abstimmung im Sicherheitsrat. Der Antrag verlief im Sande. Nun warten die Palästinenser mit der kleinen Lösung auf. Statt Vollmitgliedschaft ist ihr Ziel der Status eines Nicht-Mitgliedsstaats bei den UN. Dieser könnte ihnen mit einfacher Mehrheit in der Vollversammlung zugesprochen werden. Noch ist aber nicht klar, wann es eine Abstimmung für geben wird.

Keine UN-Begeisterung

In Ramallah wirbt Xavier Abu Eid unermüdlich für den Schritt bei den Vereinten Nationen. Der junge Palästinenser arbeitet als Sprecher für die Verhandlungseinheit der PLO. Auch er ist sich der Skepsis in der Bevölkerung bewusst, plädiert aber für Geduld: "Es ist kein Wunder, dass die Leute sich hier von der internationalen Gemeinschaft im Stich gelassen fühlen. Was wir versuchen, ist unseren Leuten zu erklären, dass ein palästinensischer Staat in den Grenzen von 1967 noch immer machbar ist", sagt Abu Eid. "Deshalb gehen wir zur UNO. Und wenn die Menschen Resultate sehen, kommt vielleicht auch die Hoffnung wieder."

Doch im Westjordanland hat man die Hoffnung etwas überstrapaziert. Auch bei vielen jungen Leuten will nicht so recht Begeisterung aufkommen. So auch nicht bei Ziad Shuabi, der in einem angesagten Café bei einem Cappuccino auf seinem Laptop arbeitet. "Wenn man mich als jungen Menschen fragt, dann sage ich, da kommt nichts dabei raus, was uns Palästinensern nützt", meint der junge Mann. "Wir haben es doch im letzten Jahr gesehen. Sie haben die Erwartungen so hoch geschraubt, und dann kam nichts und die Frustration auf der Straße war groß."

Café-Besitzerin Huda El Jack hört viel dieser Tage, was in Ramallah diskutiert wird. Während der Sozialproteste war das Café immer gut besucht. "Was die Leute skeptisch macht, ist, dass sie ständig widersprüchliche Aussagen hören, was die Politik und Wirtschaft anbelangt", meint die Unternehmerin. "Gleichbleibend dabei ist immer die Ungewissheit, ob in der Wirtschaft mit ihren hohen Preisen und der steigenden Arbeitslosigkeit oder in der Politik. Alles ist ungewiss."

Palästinenser fühlen sich eingeengt

Auch Taxifahrer Kimo kennt diese Ungewissheit. Für ihn zählt, was er sieht. Denn aus palästinensischer Sicht schafft Israel in der Zwischenzeit Fakten, die einen eigenen Staat unmöglich machen. "Für uns hier gibt es keine Stabilität. Wir sind hier von jüdischen Siedlungen umzingelt. Hier ist Ramallah, dort ist die Siedlung Bet El", meint Rumani und deutet aus dem Fenster seines Taxis.

Karim Rumani (Foto: DW)
Taxifahrer "Kimo"Bild: DW

"Zwischen Ramallah und Nablus gibt es mindestens 20 jüdische Siedlungen. Also ich weiß nicht, wo wir da einen Staat errichten sollen." Der Horizont gehe für ihn sowieso immer nur bis zum nächsten israelischen Checkpoint, meint er. Man könne nur hoffen, dass die Welt bei den Vereinten Nationen zumindest wieder auf die Palästinenser und ihre Probleme blickt - denn ein wenig vergessen fühlt man sich hier auch.