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Ungleiche Partnerschaft

Mirjam Gehrke17. Mai 2002

Beim zweiten EU-Lateinamerika-Gipfel in Madrid (17./18.5.2002) treffen zwei Regionen zusammen, deren derzeitige wirtschaftliche, politische und soziale Situation kaum gegensätzlicher sein könnte.

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Schlange stehen nach Lebensmitteln in Buenos AiresBild: AP

Die EU, die wohlhabendste Staatengemeinschaft der Welt, durchläuft derzeit einen intensiven Integrationsprozess, sowohl auf politischer als auch auf wirtschaftlicher Ebene. Die Verleihung des Karlspreises an den Euro ist eine eindeutige Würdigung der nicht nur symbolischen Bedeutung der europäischen Einheitswährung für das Zusammenwachsen Europas.

Armut und Auslandsschulden

Lateinamerika dagegen befindet sich in einer Phase tiefer wirtschaftlicher und politischer Krisen. Auch wenn sich die Demokratien auf dem Kontinent stabilisiert zu haben scheinen, so sind sie tatsächlich von dem erschreckenden Ausmaß an Armut und den daraus folgenden sozialen Spannungen bedroht. Dazu kommen die Auslandsschulden, die sich inzwischen auf ein Gesamtvolumen von 800 Mrd. US-Dollar belaufen und die nationalen Wirtschaften lähmen.

1999, auf dem ersten EU-Lateinamerikagipfel in Rio der Janeiro, war eine strategische Partnerschaft zwischen den beiden Regionen vereinbart worden. Der Handel sollte ausgebaut, der politische Dialog intensiviert und die Zusammenarbeit in Entwicklungsfragen verstärkt werden. In Madrid werden sich die Staats- und Regierungschefs selbstkritisch fragen müssen, wie weit man diesen Zielen näher gekommen ist.

Sorgenkinder stehen Schlange

Die Sorgenkinder unter den lateinamerikanischen Staaten sind derzeit Argentinien, Kolumbien und Venezuela. Obwohl der IWF Argentinien gerade erst einen Zahlungsaufschub von einem Jahr für fällige Schuldendienste in Höhe von 160 Millionen Dollar gewährt hat, und das Parlament in Buenos Aires im Gegenzug einen Teil des vom IWF geforderten Reformpaketes auf den Weg brachte. Danach soll es ausländischen Gläubigern ermöglicht werden, in Finanznot geratene argentinische Unternehmen zu übernehmen. Genau das Gegenteil war in einem erst im Januar verabschiedeten Gesetz zum Schutz der einheimischen Wirtschaft festgeschrieben worden.

Auf dem Gipfel in Madrid wird der argentinische Präsident Eduardo Duhalde um weitere finanzielle Unterstützung für sein Land bitten. In der nach Brasilien und Mexiko drittgrößten Volkswirtschaft Lateinamerikas lebt inzwischen knapp die Hälfte der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Für den 22. Mai sind erneut Protestkundgebungen gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung Duhalde angekündigt worden. Wie lange sich der Präsident noch im Amt hält, darüber wird in den Straßen von Buenos Aires täglich aufs Neue spekuliert.

Unruhen in Kolumbien

Die Amtszeit des kolumbianischen Präsidenten Andrés Pastrana geht im Oktober zu Ende. Die erste Runde der Präsidentschaftswahlen findet Ende Mai statt, vor dem Hintergrund erneut aufflammender Gewalt. Erst in der vergangenen Woche kamen bei einem Massaker durch die linke Guerrillagruppe FARC 119 Menschen ums Leben. Pastrana fordert von der EU, die FARC sowie die zweite bedeutende Guerrillagruppe - die kommunistische ELN (Nationales Befreiungsheer) - als terroristische Vereinigung einzustufen und den bewaffneten Konflikt in Kolumbien dem Nahostkonflikt gleichzustellen.

Venezuela nach dem Putsch

Der venezolanische Staatschef Hugo Chávez unternimmt seine erste Auslandsreise nach dem gescheiterten Putsch gegen ihn Anfang April. Seitdem hat sich die finanzpolitische Lage des Landes dramatisch verschlechtert. Analysten rechnen in Venezuela mit einem Budgetdefizit in Höhe von 5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) im laufenden Jahr. Venezuela hat sich selbst eine Kürzung der staatlichen Ausgaben um 7 Prozent verordnet, wird dieses Ziel im laufenden Jahr nach Angaben der Regierung aber wohl kaum erreichen.

Wettlauf der Europäer mit den USA

Die Impulse, die vom EU-Lateinamerika-Gipfel ausgehen, werden entscheidend sein, um die vor drei Jahren in Rio vereinbarte "strategische regionale Partnerschaft" voranzutreiben. Die USA betreiben zur gleichen Zeit die Schaffung der Amerikanischen Freihandelszone ALCA. Vorbilder sind die bereits seit 1994 bestehende Nordamerikanische Freihandelszone, der die USA, Kanada und Mexiko angehören, und das Freihandelsabkommen TLC zwischen Chile und den USA sowie Kanada.

Der Ausgang des Wettrennens wird unter anderem entscheidend davon abhängen, inwieweit die EU ihren durch hohe Subventionen geschützten Agrarmarkt zu öffnen bereit ist. Ein Thema, das angesichts der anstehenden Osterweiterung der EU ohnehin auf der Tagesordnung steht.