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UNHCR muss Usbekistan verlassen

23. März 2006

Die usbekischen Behörden sehen keinen Grund für die Präsenz des UNHCR. Das Flüchtlingshilfswerk habe seine Aufgaben erfüllt. UNHCR-Vertreter vermuten, Taschkent missfalle der Umgang des UNHCR mit Andischan-Flüchtlingen.

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UNHCR - seit 1993 in UsbekistanBild: AP

Die usbekische Regierung hat das Flüchtlingshilfswerk UNHCR aufgefordert, Usbekistan binnen eines Monats zu verlassen. UNHCR-Mitarbeiter erklärten, die Entscheidung der usbekischen Führung sei völlig überraschend gekommen. Seit der Eröffnung des UNHCR-Büros in Taschkent im Jahr 1993 hätten die usbekischen Behörden mit dem Flüchtlingshilfswerk zusammengearbeitet. Damals tobten in der Region zwei bewaffnete Konflikte – in Afghanistan und Tadschikistan. Das Büro in Taschkent war die einzige UNHCR-Vertretung in Zentralasien.

Der Leiter des UNHCR-Büros in Taschkent, Abdul Karim Gul, sagte der Deutschen Welle rückblickend über jene Zeit: "Unsere vorrangige Aufgabe war es, internationalen Schutz und humanitäre Hilfe den Flüchtlingen zu gewähren, die sich noch in Afghanistan und Turkmenistan befanden. Wir haben uns mit der Repatriierung jener Flüchtlinge aus Afghanistan befasst. Beispielsweise wurden damals allein aus Afghanistan etwa 60.000 tadschikische Flüchtlinge nach Tadschikistan repatriiert."

Abdul Karim Gul unterstrich, dass sich damals in Usbekistan die Wege Tausender Flüchtlinge aus Ländern, in denen bewaffnete Konflikte herrschten, und von Tausenden Umsiedlern aus GUS-Staaten kreuzten. Der UNHCR-Vertreter sagte: "Wichtig war auch die Repatriierung afghanischer Flüchtlinge aus Usbekistan und anderen Ländern der ehemaligen Sowjetunion, darunter auch aus der Ukraine und Kasachstan. Das alles verlief im Transit durch Usbekistan."

Bis heute fehlt ein Flüchtlingsgesetz

Usbekistan hat sich bis heute der UN-Flüchtlingskonvention von 1953 nicht angeschlossen. Präsident Islam Karimow unterzeichnete aber die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, was als Grundlage für die Zusammenarbeit Usbekistans mit der UNO bei der Bewältigung der Flüchtlingsprobleme diente.

Abdul Karim Gul sagt in diesem Zusammenhang: "Wir stellten fest, dass in diesem Land, wie auch in anderen Ländern der ehemaligen Sowjetunion, eine Behördenstruktur für Flüchtlingsfragen fehlte. Wir sind der Ansicht, dass es die Aufgabe jedes Staates ist, einen Asylantrag eines Flüchtlings zu prüfen und über ein Asyl zu entscheiden – dazu ist jeder Staat verpflichtet. Da es in Usbekistan, aber auch in den anderen GUS-Staaten nicht einmal Flüchtlingsgesetze gab, sie gibt es übrigens in Usbekistan heute immer noch nicht, musste sich jemand der Flüchtlinge annehmen. Und in der Tat nahm sich das UNHCR gemäß seinem Mandat den Flüchtlingen an."

Abdul Karim Gul sagte, allein im vergangenen Jahr habe das UN-Flüchtlingshilfswerk 550 Menschen aus Usbekistan in andere Länder umgesiedelt. Außerdem gebe es etwa 2000 afghanische Flüchtlinge, die vom UNHCR offiziell als solche anerkannt seien und sich in Usbekistan unter dem Schutz des Flüchtlingshilfswerks befänden.

Folge der Ereignisse in Andischan

Die usbekischen Behörden begründen die Schließung des UNHCR-Büros damit, dass die Organisation ihre Aufgaben erfüllt hat und es keinen Grund gibt, die Arbeit in Usbekistan fortzusetzen. Abdul Karim Gul sagte der Deutschen Welle, die wahren Gründe seinen andere: "Ehrlich gesagt wissen wir alle, warum es dazu gekommen ist. Auch unsere Freunde im Außenministerium machen keinen Hehl daraus. Als ich ins Außenministerium bestellt wurde, machten sie kein Geheimnis daraus. Sie sagten, die Regierung sei zu diesem Schritt gezwungen, dies hänge mit den Ereignissen im Mai 2005 zusammen. Was geschah im Mai 2005? Damals flog das UNHCR 439 usbekische Flüchtlinge aus Kirgisistan nach Rumänien aus." Die meisten der usbekischen Flüchtlinge aus Andischan wurden aber nicht von Abdul Karim Gul, sondern von dessen UNHCR-Kollegen in Kirgisistan nach Europa gebracht.

Streiten möchte Abdul Karim Gul mit dem usbekischen Außenministerium nicht. Er sagte: "Die Sache ist entscheiden. Das Büro wird geschlossen und wir haben bereits begonnen, es zu räumen. Das war nicht unsere Entscheidung. Wir sind eine Organisation, die Prinzipien vertritt, und wir sind nicht bereit, unsere Prinzipien zu kompromittieren. Wir werden uns an keinem politischen Spiel beteiligen."

Internationale Reaktionen

Die Beigeordnete UN-Flüchtlingskommissarin Erika Feller teilte in Genf mit, UNHCR werde der Regierungsaufforderung folgen und versuchen, durch alternative Vereinbarungen die weiter vorhandenen Bedürfnisse von Flüchtlingen und Asylsuchenden in Usbekistan zu erfüllen.

Die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch zeigte sich über die Entscheidung der usbekischen Führung besorgt. Die Menschenrechtler sind der Meinung, dass mit der Schließung des UNHCR-Büros in Taschkent die Flüchtlinge internationalen Schutz verlieren. Die Schließung stelle zudem einen Präzedenzfall dar.

Jurij Tschernogajew, Taschkent
DW-RADIO/Russisch, 21.3.2006, Fokus Ost-Südost