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Union streitet über einen türkischen EU-Beitritt

Marcel Fürstenau, Berlin23. Februar 2004

Der Türkei-Besuch von Kanzler Schröder wird von einer parteipolitischen Debatte in Deutschland begleitet. Während die SPD einen Beitritt des Landes langfristig befürwortet, gibt es in der CDU/CSU Streit zu diesem Thema.

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In der Türkei-Frage uneins mit Angela Merkel: Ole von BeustBild: AP

CDU-Chefin Angela Merkel und ihr CSU-Pendant Edmund Stoiber dürften die Türkei-Ansichten Ole von Beusts kaum gefallen. Der CDU-Bürgermeister Hamburgs, der am Sonntag (29.2.2004) wieder gewählt werden will, hat eine ganz andere Meinung zu diesem sensiblen Thema als die Unions-Spitze. Der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" sagte von Beust, die Türkei müsse "selbstverständlich eine Beitrittsoption zur EU haben". Merkel hatte dem Land während ihres Türkei-Besuches Mitte Februar lediglich eine privilegierte Partnerschaft in Aussicht gestellt. Entschieden wandte sich von Beust gegen "Panikmache von Völkerwanderungen und dergleichen", wie sie der CSU-Landesgruppenchef im Deutschen Bundestag, Michael Glos, verbreite. So etwas tauge wirklich nicht als Wahlkampfmunition, so von Beust.

Zentrale Frage

CSU-Chef Stoiber sieht das ganz anders und will die Türkei-Debatte zum Thema im Europawahlkampf machen. Eine Strategie, die der CSU-Europaabgeordnete Joachim Würmeling unterstützt. Die Frage sei zentral für die Zukunft der Europäischen Union (EU) und könne für den Wahlkampf nicht zum Tabu erklärt werden, sagte er in Brüssel. Letztlich entscheide der Ausgang der Europawahl am 13. Juni 2004 über den Beitritt der Türkei, da das Parlament mit absoluter Mehrheit zustimmen müsste. Bundeskanzler Gerhard Schröder, der von Sonntag bis Dienstag (22. bis 24.2.2004) die Türkei besucht, kritisierte die Haltung der Union. Das sei "Populismus zu Lasten der über 2,5 Millionen türkischen und türkischstämmigen Menschen in Deutschland". So etwas vergifte das politische Klima in Deutschland, sagte Schröder der türkischen Zeitung "Hürriyet".

"Überholtes Türkei-Bild"

In die Diskussion über einen möglichen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union hat sich auch der türkischstämmige Unternehmer Vural Öger eingeschaltet. Der Chef eines Reiseunternehmens warf CDU-Chefin Merkel vor, sie sei auf ein "überholtes Türkei-Bild" fixiert. Der Direktor des Zentrums für Türkei-Studien, Faruk Sen, widersprach der Auffassung, die EU würde mit der am 1. Mai 2004 erfolgenden Ost-Erweiterung von 15 auf 25 Mitgliedsstaaten an die Grenzen ihrer Aufnahmefähigkeit geraten. Die EU bleibe erweiterungsfähig, sagte Sen. Zur Vorsicht in der ganzen Diskussion mahnte Bundespräsident Johannes Rau in einem Zeitungsinterview. Die Türkei könne erst aufgenommen werden, wenn Religions- und Pressefreiheit und die Ächtung der Folter nicht nur durch Parlamentsbeschlüsse garantiert seien, sondern auch im praktischen Leben umgesetzt würden, sagte Rau.