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Unklare Machtverhältnisse in Schleswig-Holstein

Nina Werkhäuser6. Mai 2012

Die beiden großen Parteien CDU und SPD liegen fast gleichauf bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein. Beide Parteien wollen regieren. In welcher Konstellation, das steht noch in den Sternen.

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SPD-Spitzenkandidat Torsten Albig und CDU-Spitzenkandidat Jost de Jager (l) (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Wer regiert künftig Deutschlands nördlichstes Bundesland? Diese Frage ließ der Wahlabend offen. Die CDU, die bisher den Ministerpräsidenten stellte, bleibt nach dem vorläufigen Endergebnis mit 30,8 Prozent die stärkste Kraft in Schleswig-Holstein. Knapp dahinter liegen die Sozialdemokraten mit 30,4 Prozent, sie hatten auf ein deutlich besseres Ergebnis gehofft. Da es insgesamt sechs Parteien in den Kieler Landtag geschafft haben, darunter erstmals die Piraten, drängt sich keine Regierungskonstellation eindeutig auf. Alles hängt von den Koalitionsverhandlungen ab.

Mehrere Optionen

Möglich wäre eine Große Koalition aus CDU und SPD mit CDU-Spitzenkandidat Jost de Jager als Ministerpräsident. Zwar hätte dieses Bündnis eine stabile Mehrheit, doch die Sozialdemokraten wären mit der Rolle als Juniorpartner weder sonderlich glücklich noch strategisch gut bedient. Wenn eine Landtagswahl nach der anderen eine Große Koalition hervorbringt – wie zuletzt schon in Berlin und im Saarland – dann kann die SPD ihren Traum von der Neuauflage einer rot-grünen Bundesregierung bald begraben.

"Die Menschen wollen eine Politikwechsel, da bin ich ganz sicher!", argumentierte SPD-Spitzenkandidat Torsten Albig nach der Wahl gegen die Große Koalition. Immerhin hat die CDU in Schleswig-Holstein ihr schlechtestes Wahlergebnis seit 1950 erzielt. Für SPD und Grüne alleine reicht es jedoch nicht, auch wenn die Öko-Partei mit 13,2 Prozent ihr bisher bestes Ergebnis in Schleswig-Holstein erzielte. Also wären SPD und Grüne auf die Stimmen des Südschleswigschen Wählerverbands (SSW) angewiesen, der Partei der dänischen und friesischen Minderheit. Der von der Fünf-Prozentklausel befreite SSW kam auf 4,6 Prozent und ist bereit, sich erstmals an einer Landesregierung zu beteiligen.

Schleswig-Holstein: Rechenspiele nach der Wahl

Dieses Dreierbündnis hätte eine knappe Mehrheit von nur einer Stimme im Kieler Landtag. Das ruft böse Erinnerungen bei der SPD wach: 2005 wollten die Sozialdemokraten in einer ähnlich knappen Konstellation Heide Simonis zur Ministerpräsidentin wählen lassen. Die Sozialdemokratin bekam jedoch in allen vier Wahlgängen keine Mehrheit, weil eine Stimme aus der eigenen Fraktion fehlte. Wer der sogenannte "Heide-Mörder" innerhalb der SPD war, ist bis heute unbekannt. Auf die Frage eines Journalisten, ob er sich vor dem Heide-Mörder fürchte, entgegnete der ehrgeizige SPD-Spitzenkandidat Albig: "Nein, ich heiße ja Torsten mit Vornamen."

Der "Kubicki-Effekt" rettet die FDP

Riesengroß war der Jubel bei den Liberalen: Der populäre Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki holte 8,2 Prozent für die FDP, deren Umfragewerte auf Bundesebene seit Monaten unter 5 Prozent liegen. Damit ist die FDP nicht nur sicher im Kieler Landtag, sie hat auch psychologisch einen wichtigen Etappensieg errungen: Der Abwärtstrend ist abgebremst, die Parteispitze in Berlin reagierte sichtlich erleichtert. Auch die CDU von Bundeskanzlerin Angela Merkel beglückwünschte ihren Koalitionspartner, hatte sich doch die Dauerkrise der FDP negativ auf die Arbeit der gesamten Bundesregierung ausgewirkt.

Dass der als Querkopf geltende Kubicki seine Parteiführung oft genug mit kritischen Äußerungen verärgert hatte, ist nach dieser Wahl vergeben und vergessen. Und auch die Stimmverluste der Nord-FDP gegenüber der letzten Wahl - da schafften sie es zusammen mit der CDU an die Regierung in Kiel - schmälerten die Freude der Liberalen nicht.

Zumal die FDP ihre Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben hat, weiter an der Regierung zu bleiben. Eine sogenannte "Jamaika-Koalition" aus CDU, FDP und Grünen wäre zumindest rechnerisch möglich, wenn auch politisch unwahrscheinlich.

"Philipp Rösler kann beruhigt schlafen", kommentierte der 60jährige Kubicki das Wahlergebnis, mit der er eine weitere Diskussion über Röslers Eignung als Parteichef gestoppt hat. Noch ist für die FDP aber längst nicht alles wieder im Lot: Wählerbefragungen haben gezeigt, dass es vor allem die Person Kubicki war, die im Norden Wähler anzog, während die Partei insgesamt an Profil verloren hat.

Piraten mit vollem Wind in den Segeln

Wie schon bei den Landtagswahlen in Berlin und im Saarland schaffte die Piratenpartei auch in Kiel auf Anhieb den Einzug in den Landtag. Ihre 8,2 Prozent der Stimmen knöpfte sie allen anderen Parteien gleichermaßen ab. An der Regierung wollen die Piraten sich nach den Worten ihres Landesvorsitzenden Torge Schmidt nicht beteiligen, da die noch junge Partei sich erst konsolidieren müsse. Zur Tolerierung eines Bündnisses aus SPD, Grünen und SSW sind die Piraten aber unter Umständen bereit.

Bei der Wahl in Nordrhein-Westfalen am kommenden Sonntag dürften die Piraten den Sprung in den Landtag schaffen. Damit steigen ihre Chancen deutlich, 2013 erstmals in den Bundestag einzuziehen und das etablierte Parteiengefüge durcheinanderzuwirbeln.

Pleite für Die Linke

Während die Piraten jubelten, bekam "Die Linke" einen argen Dämpfer: Mit nur 2,2 Prozent der Stimmen flog die Partei erstmals aus einem westdeutschen Landtag. "Wir haben uns zuviel mit uns selbst beschäftigt und die Menschen mit unseren Themen nicht erreicht", kommentierte Parteichef Klaus Ernst das Wahlergebnis. Dieses sei "absolut enttäuschend".