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Unlösbare Aufgaben für Italiens neue Regierung

Zhang Danhong30. April 2013

Vorschusslorbeeren bekam der neue Regierungschef Enrico Letta von den Finanzmärkten: Zinsen fallen, Aktien steigen. Dabei hat er eine schier unmögliche Mission zu erfüllen: Italien aus der Starre zu führen.

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Eine Statue und die Fahnen Italiens und der EU auf einem Platz in Rom (Foto: AFP)
Bild: AFP/Getty Images

An Italien scheiden sich die Geister. Für den US-Ökonom Nouriel Roubini ist die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone bereits insolvent. Der deutsche Wirtschaftswissenschaftler Wolfgang Franz meint hingegen: "Italien hat eine sehr solide und leistungsfähige Wirtschaft."

Letta kämpft an vielen Fronten

Wer hat recht? Beide, sagt Außenhandels-Präsident Anton Börner. "Italien als Staat ist insolvent. Italien als Land ist reicher als die Bundesrepublik Deutschland. In den nördlichen Provinzen wie Lombardei oder Piemont liegt das Durchschnittseinkommen deutlich über dem in der EU."

Verkrusteter Arbeitsmarkt

Aber im Land der großen Namen wie Armani oder Ferrari haben die Unternehmen nicht wegen, sondern trotz der politischen und wirtschaftlichen Strukturen große Erfolge erzielt. Beispiel Arbeitsmarkt. "Wenn Sie über 15 Mitarbeiter beschäftigen, dann haben Sie keinerlei Möglichkeit, sich an konjunkturelle Rückgänge anzupassen, weil Sie niemanden entlassen können", sagt Anton Börner gegenüber der Deutschen Welle. Die Folge: Unternehmen schrecken vor Neueinstellungen zurück. Und darunter leiden vor allem junge Menschen. Mehr als jeder Dritte unter 25 Jahren findet in Italien keinen Job. Die Gesamtarbeitslosigkeit ist auf eine Rekordhöhe von über elf Prozent gestiegen. Der starke Kündigungsschutz für Unternehmen ab 15 Mitarbeiter hat auch dazu geführt, dass viele es vorziehen, nicht zu investieren und klein zu bleiben.

Anton Börner: Präsident des Außenhandelsverbands BGA (Foto: DW)
Sieht den starren Arbeitsmarkt als ein Grundübel: Anton BörnerBild: DW/Anila Shuka

Wenig Investitionen

Dass im Land des Stiefels wenig investiert wird, hat aber noch einen anderen Grund, weiß Italien-Kenner Börner: "Die entsprechenden Gesetze sind dermaßen undurchsichtig, zum Teil widersprechen die sich auch, so dass man ewig auf eine Genehmigung warten muss. Und ohne Genehmigung darf man nichts machen." Bekommt man nach zwei, drei Jahren die Genehmigung, hat sich vielleicht der Markt wieder geändert. Also ist es besser, gar nicht zu investieren.

Während die deutschen Firmen rund fünf, sechs Prozent des Umsatzes für Forschung und Entwicklung ausgeben, liegt dieser Anteil bei italienischen Unternehmen bei unter einem Prozent. Kein Wunder, dass die Wettbewerbsfähigkeit der italienischen Wirtschaft drastisch zurückgeht. "Wenn wir auf die Weltmärkte gehen, dann sind die italienischen Firmen in Ostasien praktisch nicht vertreten", sagt der deutsche Außenhandels-Präsident. Die einst gefürchtete Konkurrenz der deutschen Maschinenbauer hat die Globalisierung verschlafen und schaut nun neidisch zu, wie die deutschen Firmen fleißig nach Ostasien exportieren und die Rezession in Europa mehr als ausgleichen.

Teufelskreis aus Rezession und Schulden

Rezession und Stagnation sind für die italienische Wirtschaft zum traurigen Alltag geworden. Seit dem Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 ist das Bruttoinlandsprodukt dort um fünf Prozent geschrumpft. Die Industrie büßte sogar ein Viertel ihrer Leistung ein. Somit klettert die Schuldenquote in schwindelerregende Höhe, auch wenn die Italiener wenig Neuschulden machen. In diesem Jahr werden die Gesamtschulden 130 Prozent der Wirtschaftsleistung erreichen - so viel wie noch nie in der Geschichte des Landes. Wenn wir annehmen, dass sich Italien weiterhin mit vier Prozent Zinsen verschulden kann, dann muss die Wirtschaft nominal um rund fünf Prozent wachsen, um die Staatsschuldenquote konstant zu halten. Da das Land bekanntlich nicht in diesem Tempo wächst, "gibt es ernst zu nehmende Ökonomen, die sagen, Italien hat keine Chance, jemals seine Staatsschulden zurückzuzahlen, sondern die Staatsschuldenquote wird unausweichlich immer weiter ansteigen", sagt Clemens Fuest, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim.

Prof. Clemens Fuest, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim (Foto: dpa)
Wenn Italien es so weiter geht, geht das Land bankrott: Clemens FuestBild: picture-alliance/dpa

Wenig Sinn für das Gemeinwohl

Doch der hochverschuldete Staat scheint den Italienern wenig Kopfschmerzen zu bereiten, meint Anton Börner. Er verbringt dort knapp ein Drittel des Jahres und kennt die italienischen Verhältnisse wie kaum einer hierzulande: "Jede Klasse denkt an sich und will nichts abgeben. Man ist nicht bereit, zu Kompromissen zu kommen, die das Gemeinwesen nach vorne bringen."

Das ist auch der Grund, warum die neue Regierung in Rom bei dem Italien-Kenner im Gegensatz zu den Finanzmärkten wenig Euphorie entfachen kann: "Sie wird nicht stabil sein, weil mit der Mannschaft, die da angetreten ist, Feuer und Wasser zusammenkommen. Das kann nicht funktionieren."