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UNO am Scheideweg?

Nina Werkhäuser, zurzeit New York24. September 2003

Deutliche Kritik an den USA von UNO-Generalsekretär Annan, vage Aufrufe zur Zusammenarbeit von US-Präsident Bush: Die Generalaussprache der UNO verdeutlichte die bestehenden Meinungsverschiedenheiten.

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Kopf an Kopf: Bush und Annan in New YorkBild: AP

US-Präsident George W. Bush blieb bei der Aussprache vor den Vereinten Nationen (UNO) am Dienstag (23.9.2003) bei seiner Linie: Der Terrorismus müsse bekämpft werden, der Irak sei die zentrale Front, an der das gerade geschehe. Alles andere ist zweitrangig für den US-Präsidenten, der zu Beginn seiner Rede an die Anschläge vom 11. September 2001 erinnerte. Im Irak könnten die Vereinten Nationen durchaus eine größere Rolle spielen, sagte Bush, zum Beispiel bei der Ausarbeitung der Verfassung und der Vorbereitung freier Wahlen. Die Einzelheiten soll die neue Irak-Resolution enthalten, an der der UNO-Sicherheitsrat gerade arbeitet. Bush machte aber auch klar, dass die USA im Irak bis auf weiteres das letzte Wort haben werden. "Das oberste Ziel unserer Koalition im Irak ist Selbstverwaltung für das irakische Volk, die durch einen geordneten, demokratischen Prozess erreicht werden soll. Dieser Prozess muss dem Willen der Iraker entsprechen und darf von den Vorstellungen anderer Parteien nicht verzögert oder beschleunigt werden."

Absage an Deutschland und Frankreich

Damit erteilte Bush Ländern wie Deutschland und Frankreich eine Absage, die gefordert hatten, die Regierungsgewalt müsse binnen Monaten wieder an die Iraker übertragen werden. Das hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder, der die Rede Bushs im Plenum der Generalversammlung verfolgte, am Dienstagmorgen (23.9.2003) in New York nach einmal betont.

Anders als erwartet, blieb Bushs Appell an die Mitglieder der Weltorganisation im Irak zu helfen, recht allgemein. "Jede junge Demokratie braucht die Hilfe von Freunden, auch der Irak. Alle Länder, die guten Willens sind, sollten dem Irak diese Unterstützung gewähren." Bush betonte außerdem, wie viel die USA als größter Beitragszahler für und in den Vereinten Nationen leisteten.

Annans ungewöhnlich deutliche Worte

Die Botschaft des US-Präsidenten, der die UNO vor einigen Monaten noch als irrelevant bezeichnet hatte: Die USA und die Weltorganisation arbeiten zusammen. Der Gegenpol zu Bushs Auffassung zeigte sich in der Rede von UNO-Generalsekretär Kofi Annan, der die Generalversammlung eröffnet hatte. Er übte deutliche Kritik an jenen Staaten, die Gewalt anwenden und dabei über den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hinweggehen. Gemeint waren in erster Linie die USA, auch wenn Annan keine Namen nannte. "Diese Logik ist eine fundamentale Herausforderung für die Prinzipien, auf denen Weltfrieden und Stabilität in den letzten 58 Jahren beruht haben. Meine Sorge ist: Wenn dieses Prinzip sich durchsetzt, wird es Präzedenzfälle schaffen, die dann zu unilateralen und ungesetzlichen Anwendung von Gewalt führen - mit oder ohne Rechtfertigung."

Der Gegensatz zwischen dem Unilateralismus der USA und dem Multilateralismus als Grundprinzip der Vereinten Nationen - das ist eines der großen Themen auf der diesjährigen Generalversammlung. Die UNO sei an einem Scheideweg, formulierte Annan. Das liege auch daran, dass die Reform der Weltorganisation nur schleppend vorangeht. Nach Auffassung von Annan muss der Sicherheitsrat erweitert werden, damit mehr Länder in dem wichtigsten Entscheidungsgremium der UNO eine Stimme bekommen.

Appell zur Reform

Annan appellierte eindringlich an die Mitglieder der Vereinten Nationen, die Reform voranzubringen. Auch Schröder sprach sich nach seinem persönlichen Gespräch mit Annan für eine Reform des Sicherheitsrats aus, hielt sich aber mit der Forderung nach einem ständigen Sitz Deutschlands zurück. "Wir drängeln nicht", sagt der Kanzler, machte aber klar, dass Deutschland bereit sei, diese Aufgabe zu übernehmen.

Am Mittwoch (24.9.2003) trifft Schröder in New York mit US-Präsident Bush zusammen. Es ist das erste persönliche Treffen der beiden seit 16 Monaten und seit der Auseinandersetzung über den Irak-Krieg. Er wolle mit Bush vor allem über die Zukunft und nicht über die Vergangenheit sprechen, sagte Schröder. Dabei soll es auch um den Irak gehen. Deutschland sei bereit, humanitäre Hilfe zu leisten und irakische Sicherheitskräfte auszubilden, so der Bundeskanzler - aber nicht dazu, Soldaten in den Irak zu schicken.