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Unpraktisches Kunstwerk

Christina Bergmann27. Juli 2007

U-Bahn-Fahren ist in Washington ein Abenteuer. Die Züge gehen öfter kaputt, quietschen, qualmen und stinken. Doch ihre Fans sagen: Die Metro ist etwas Besonderes. Modernisieren geht da nicht so einfach.

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Bild: DW

Die U-Bahn in Washington ist ein eher rudimentäres System. Es gibt fünf Linien, die einen gewissen Bereich in der Innenstadt recht gut abdecken. Weiter draußen sieht es schon schwieriger aus. Aber immerhin: Die Leute benutzen sie. 800.000 Passagiere werden an einem normalen Wochentag gezählt - das sind ungefähr 200.000 mehr, als die Stadt Einwohner hat.

Fernschreiber Christina Bergmann

Vor 31 Jahren wurde die Metro in Betrieb genommen. Das Ziel: Die gut verdienenden Büro-Angestellten aus ihren Autos zu kriegen. Da musste man schon etwas Besonderes bieten. Und deshalb ist die Metro ein Kunstwerk, sagen ihre Fans.

Dunkelheit gehört zum Gesamtkunstwerk

Doch die Bahn ist in die Jahre gekommen. Der neue Chef will vieles anders machen - und muss sich in den eigenen Reihen mit denen auseinandersetzen, die das Kunstwerk möglichst nicht verändern wollen. So wird zuerst über den Teppich in den Waggons diskutiert. Der sollte einst symbolisieren, dass die Metro etwas Besseres ist. Aber inzwischen ist er einfach zu teuer. Einmal in der Woche saugen, alle zwei Monate shampoonieren - und trotzdem muss alle fünf Jahre ein neuer her. Schwups, sind 5200 Dollar pro Waggon weg. Ab sofort soll nur noch Plastik auf den Boden kommen.

Außerdem soll es heller werden auf den Bahnsteigen. Ein ganz schwieriges Thema, denn offensichtlich gehört es zum Gesamtkunstwerk, dass es auf den endlosen Rolltreppen in die Tiefe stockdunkel ist. Jede Kohlegrube ist besser beleuchtet. Auch die Bahnsteige sind eher schummerig. Dafür blinken am Fußboden dicht am Gleis weiße Lampen, wenn der Zug ein- oder ausfährt. Sie sind eher matt, fressen viel Strom und sollen auch ersetzt werden. Auf einem Bahnsteig sind sie bereits gegen rote austauscht worden - und prompt heißt es, das sei hässlich und würde überhaupt nicht zu dem Gesamteindruck passen.

Umstrittene Farbenlehre

Auch die Farbe der Sitzpolster zu ändern, gleicht einer Revolution. Einer der Aufsichtsratsmitglieder, inzwischen ist er 81 Jahre alt, kämpfte viele Jahre lang für die ursprüngliche Farbenlehre: orange, gold und braun. Als man sich schließlich entschloss, auf rot, weiß und blau umzusteigen, wurde ihm zu Ehren ein Sitz am Ende jedes einzelnen Waggons gelb bezogen. Das soll nun auch vorbei sein, ein unempfindlicher Farbenmix ist angesagt.

Kontrovers ist auch der Plan, die Wände in den Bahnhöfen mit Werbung zu bestücken. Die gibt es dort nämlich bisher nicht. Die Wände sind in mattgrauem jungfräulichem Beton gehalten. Mehr Werbung dort bedeutet aber vor allem: mehr Geld. Und dann sorgt man bei der Metro vielleicht auch dafür, dass die Züge nicht ständig anfangen zu qualmen, zu quietschen oder zu stinken, ihren Geist aufgeben und die Passagiere zum Aussteigen auf völlig überfüllte Bahnsteige zwingen und den Betrieb lahmlegen. Denn das ist ja wohl das eigentliche Problem.