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Unruhen nach zweiter Wahlrunde in Kirgisien

17. März 2005

Die regierungsnahen Parteien liegen auch nach den Stichwahlen vorn. Wegen angeblicher Wahlverstöße fordert die Opposition Neuwahlen. Die Proteste werden zunehmend von Gewalt begleitet. Lenkt Präsident Akajew nun ein?

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Der Ablauf der Parlamentswahlen sorgt in Kirgisistan für ProtesteBild: dpa

Am vergangenen Sonntag (13.3.) hat in Kirgisien die zweite Runde der Parlamentswahlen stattgefunden. In der ersten Wahlrunde am 27. Februar hatten nicht alle Kandidaten in ihren Wahlkreisen mehr als 50 Prozent der Stimmen erreicht, deswegen wurde in 39 Wahlkreisen eine Stichwahl notwendig. Von den 31 Kandidaten, die in der ersten Wahlrunde gewannen, gehören elf der Regierungspartei Alga, Kyrgystan! und zwei der Oppositionsbewegung Ata-Schurt an. Die OSZE-Beobachtermission stellte nach der ersten Wahlrunde fest, dass die Parlamentswahlen in Kirgisien internationalen Standards nicht entsprachen.

Oppositionsführer bleiben ohne Mandat

Das neue kirgisische Einkammerparlament besteht aus 75 Sitzen. Am Montag (14.3.) teilte der Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission Kirgisien, Sulejman Imanbajew, mit, die Namen von 71 Abgeordneten stünden bereits fest, von denen 19 die Regierungspartei Alga, Kyrgystan! und fünf die regierungsnahe Partei Adilet vertreten würden. Der Vorsitzende der Wahlkommission erklärte ferner, aus den Stichwahlen seien die zwei Oppositionsführer Kurmanbek Bakijew und Adachan Madumarow als Verlierer hervorgegangen.

Absetzung des Präsidenten gefordert

Die Lage in Kirgisien spitzt sich unterdessen zu. Am Dienstag (15.3.) fand in Dschalal-Abad vor dem Gebäude der Gebiets-Behörden ein Volkskongress der Opposition statt, zu dem sich Tausende von Menschen versammelten. Zu den Teilnehmern sprachen die bekannten Oppositionellen Rosa Otunbajewa, Kurmanbek Bakijew und viele andere. Alle Redner stellten fest, bei den Wahlen sei es zu groben Verstößen gekommen. Deswegen müssten Neuwahlen durchgeführt werden. Darüber hinaus forderten die Oppositionsführer die Absetzung der Regierung und von Präsident Askar Akajew. Der Vorsitzende der oppositionellen Republikanischen Partei, Gijas Tokombajew, sagte der Deutschen Welle, die Miliz habe die Kundgebung umzingelt, aber nicht behindert.

Oppositionsparteien kooperieren

Auf dem Volkskongress wurde beschlossen, eine gemeinsame Oppositionsfront zu bilden, mit dem Ziel, die Oppositionsparteien des Landes zu einen. Die bekannte Oppositionelle Samira Sydykowa sagte der Deutschen Welle: "Es wurde ein Volksrat gebildet und eine Volks-Miliz aufgestellt, aber auch eine Volks-Kasse eingerichtet. Faktisch wird die Volksherrschaft eingeführt." Sydykowa bestätigte auch, dass die staatliche Miliz gegen die Demonstranten nicht vorging. Sie kündigte für den 17. März eine weitere Volksversammlung in Talas, im Westen des Landes, an.

Gouverneur als Geisel

In Talas dauern die Demonstrationen zur Unterstützung des Kandidaten Rawschan Scheenbekow an. Ihm wurde die Kandidaten-Zulassung entzogen, nachdem die Wahlkommission ihm vorgeworfen hatte, gegen die Regeln des Wahlkampfs verstoßen zu haben. Scheenbekows Anhänger meinen aber, der Kandidat sei der Staatsmacht zu unbequem geworden. Deswegen fordern die Demonstranten jetzt die Annullierung der Wahl. Am Montag marschierten etwa 1000 Scheenbekow-Anhänger vor das Gebäude der Gebiets-Behörden. Gleichzeitig trafen dort aus Bischkek Sondereinsatzkräfte der Miliz ein. Den Demonstranten gelang es aber, den Sperrgürtel der Miliz zu durchbrechen und in das Behördengebäude einzudringen. Dort nahmen sie den Gouverneur des Gebiets Talas als Geisel.

Gerichtsgebäude besetzt

Tausende Menschen demonstrieren auch im Süden Kirgisistans. Die Protestaktionen flammten wieder auf, als das Ergebnis der Stichwahlen bekannt wurde. Auch dort fordern die Demonstranten die Annullierung der Wahl sowie einen sofortigen Rücktritt der Regierung und des Präsidenten. In Kara-Suj stürmten Anhänger des unterlegenen Abgeordnetenkandidaten das Bezirksgericht. Dieser hatte zuvor gegen das Wahlergebnis Klage eingereicht. Die Demonstranten wollen nun das Gebäude solange besetzt halten, bis das Gericht über die Klage des von ihnen unterstützten Kandidaten entscheidet.

Einige Wahlergebnisse annulliert

Die Protestaktionen bleiben nicht ohne Erfolg. Obwohl Präsident Akajew im Staatsfernsehen erklärt hatte, die Parlamentswahlen seien demokratisch und transparent verlaufen, wurden in einigen Wahlbezirken die Ergebnisse überprüft und annulliert. Nach einer erneuten Stimmenauszählung wurde dann einigen Kandidaten, die zuvor zu Verlierern erklärten worden waren, der Sieg zugesprochen.

Tolkun Namatbajewa, Saida Jusupchanowa, Oras Saryjew
DW-RADIO/Russisch, 15.3.2005, Fokus Ost-Südost