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Tod im Netz

Greg Norman5. Juli 2016

Die Kaspische Robbe ist zwar der größte Räuber im Kaspischen Meer, trotzdem geht die Zahl der gefährdeten Tiere weiter stark zurück. Tierschützer hoffen auf internationale Hilfe.

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Nahaufnahme einer Kaspischen Robbe
Bild: Simon Goodman/University of Leeds
Das Kaspische Meer ist sehr alt. Und es ist riesig. Es entstand vor fünfeinhalb Millionen Jahren und ist mit einer Fläche von nahezu 400.000 Quadratkilometern der größte See der Erde.

Der Kaspischen Robbe müsste es hier gut gehen, sollte man meinen. Zumal sie das einzige Säugetier ist und als größter Räuber keine natürlichen Feinde hat. Aber weit gefehlt! Im letzten Jahrhundert ist die Zahl dieser Robbenart dramatisch kollabiert. Verantwortlich dafür ist der Mensch.

"Robbenpopulationen sind meist sehr robust. Außer dem Menschen haben sie eigentlich nichts zu befürchten", sagt Simon Goodman. Der Evolutionsbiologe arbeitet an der Universität von Leeds und ist am "Caspian Seal Project" beteiligt, das sich schon viele Jahre dem Schutz der Robben widmet.

Aus alten Aufzeichnungen haben Wissenschaftler geschlussfolgert, dass sich Ende des 19. Jahrhunderts bis zu eine Million Robben an den Küsten des Kaspischen Meeres aalten und im kalten Wasser Beutetiere jagten. Heute gibt es nur noch etwas mehr als 100.000 Exemplare, das ist ein Zehntel der ursprünglichen Robbenpopulation.

Kaspische Robben während der Mauser in der Bucht von Komsomolez, Kasachstan
Kaspische Robben während des Fellwechsels in der Bucht von Komsomolez, Kasachstan. Vor 100 Jahren lebten hier eine Million Robben, nun sind es nur noch 100.000Bild: Simon Goodman/University of Leeds
Die Hauptursache für den dramatischen Rückgang: In der ehemaligen Sowjetunion wurden die Tiere zu kommerziellen Zwecken gejagt. Das änderte sich nach dem Zusammenbruch. Denn es wurde schwierig, an die Schiffe zu kommen, die für die Jagd nötig waren. Denn nur mit riesigen Eisbrechern gelangte man in die Gebiete, wo die Robben ihren Nachwuchs großziehen.

Heute regelt in den fünf Anrainerstaaten – Russland, Aserbaidschan, Iran, Kasachstan und Turkmenistan - eine Quote, wie viele Tiere jedes Jahr gejagt werden dürfen. Aber die Meeressäuger stehen einer neuen menschlichen Bedrohung gegenüber: Unserem Appetit auf Kaviar!

Glitschige Geschäfte

Im Januar 2014 erließen die russischen Behörden ein Fangverbot für Störe, nachdem die natürlichen Kaviarlieferanten komplett überfischt waren. Die anderen Anrainer des Kaspischen Meeres, aus dem 90 Prozent der Kaviarproduktion stammt, unterstützen das Fangverbot.

Aber: Auf dem Schwarzmarkt werden für ein Kilogramm Kaviar zwischen 6000 und 9000 Euro bezahlt, und die Nachfrage wächst. Also ist die Versuchung, Störe wegen ihrer Eier weiterhin zu jagen, sehr groß. Und tatsächlich zeigt ein Bericht, den der WWF im Mai 2016 veröffentlichte, dass mittlerweile weltweit alle Arten des Knochenfisches bedroht sind. Diese Fischerei wirkt sich auch auf die Kaspische Robbe aus.

In der Fangsaison 2008/2009 verfingen sich 1215 Robben in den großen Netzen, mit denen eigentlich Störe gefischt wurden. Das zeigte eine Studie, die 2013 von
Goodman und Kollegen veröffentlicht wurde.

"Hunderte, wenn nicht sogar tausende Robben verfangen sich in den Netzen, wo sie langsam zu Tode kommen", erklärt Sue Wilson, Co-Autorin der Studie, gegenüber DW. "Egal, wohin sie schwimmen, am Ende landen sie in diesen Netzen."

Mehr als 20 Kadaver kaspischer Robben wurden in einem Störnetz im Nordosten des Kaspischen Meeres entdeckt.
Kaspische Robben verfangen sich in Fischernetzen. Dabei werden sie verletzt oder sterbenBild: CC/Brian Deacon, KBR-I&M/Leatherhead/UK
Wilson koordiniert auch das "Caspian Seal Project". Sie sagt, da es sich um illegale Fischerei handelt, sei es schwierig, den Schaden für die Robben exakt zu beziffern. Die tatsächlichen Zahlen könnten also noch höher sein.

Eines aber sei sicher, sagen Tierschützer: Wenn wir nicht unseren Appetit auf Kaviar zügeln, bleibt die Robbe weiter bedroht. "Solange es ein lukratives Geschäft ist, lässt es sich schwerlich bekämpfen", erklärt Simon Goodman.

Ohne Hilfe keine Rettung

Eines der größten Probleme für die Robbe ist, dass der einst opulente Lebensraum zur gefährlichen Falle geworden ist. Weil das Kaspische Meer von Land umgeben ist, kann das Tier nirgendwo hin auswandern. Es muss in dem salzigen See zurecht kommen. Ein anderes Problem ist, dass groß angelegte Schutzprojekte von allen fünf Anrainern unterstützt werden müssen. Die Zusammenarbeit gestaltet sich aber schwierig.

Dennoch setzen lokale Tierschützer alles daran, die Population der Kaspischen Robben wenigstens zu stabilisieren.

Eine Gruppe junger Kaspischer Robben auf einer Kiesbank im Nordosten des Kaspischen Meeres
Da das Kaspische Meer von Land umschlossen ist, können die Tiere nicht in andere Gebiete flüchtenBild: Ivar Jussi/Caspian International Seal Survey
In Kasachstan haben Wissenschaftler wie Mirguliy Baimukanov wertvolle Kontakte zu den Behörden. Er arbeitet am Institut für Hydrobiologie und Ökologie in Almaty eng mit der Regierung zusammen, damit auch ausländische Forscher den Zustand der Robbenpopulation untersuchen können. Ein Großteil der Arbeit findet im Herbst statt, in einem Gebiet in der Nähe zu Turkmenistan, wo die Tiere leicht zu erreichen sind. Baimukanov half, den Bestand dort zahlenmäßig zu erfassen.

In Aserbaidschan studiert Tariel Eybatov die Tiere seit mehr als vierzig Jahren. Er sah sie regelrecht verschwinden. Entlang einer Halbinsel, die einstmals Lebensraum für mehr als 200.000 Robben war, ist seit Jahren keine mehr gesehen worden. Leider gibt es kaum Möglichkeiten, herauszufinden, ob die Robben dort ausgestorben oder woanders hin gewandert sind. Das zeigt auch, wie uneinig die Anrainerstaaten bei den Schutzmaßnahmen sind.

Trotz aller Probleme ist Simon Goodman optimistisch. Doch die Länder müssen handeln. "Wenn jetzt Maßnahmen ergriffen werden, die die Todesrate verringern und bedrohte Lebensräume schützen, dann wäre das ein wichtiger Schritt", sagt Goodman. "Aber die Uhr tickt unaufhörlich."