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Unser Gast vom 07.06.2009 Christian Thielemann, Dirigent

Moderator Hajo Schumacher spricht mit Christian Thielemann über Wagner, Wirtschaftskrise und Wegerecht.

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Bild: DW-TV

Christian Thielemann ist einer der gefragtesten Dirigenten unserer Zeit. Seine Wagner- und Straussinterpretationen sind vielfach umjubelt. Schon als Kind nahm der gebürtige Berliner Klavier- und Kompositionsunterricht bei namhaften Lehrern. Früh lernte er die Großen der Branche kennen. Mit 19 Jahren beginnt er seine Dirigentenlaufbahn als Korrepetitor an der Deutschen Oper Berlin.

Es folgen erste Assistenzen bei Herbert von Karajan und Daniel Barenboim. Thielemann ist einer, der nicht locker lässt und seine Ziele stets mit großem Ehrgeiz und Fleiß verfolgt. Derzeit ist er Generalmusikdirektor bei den Münchner Philharmonikern und auch sonst ist der Terminkalender des Fünfzigjährigen prall gefüllt. Das alljährliche Gastspiel bei den Bayreuther Festspielen dürfte wieder ein musikalischer Höhepunkt werden: hier dirigiert Christian Thielemann Richard Wagners Opernzyklus „Der Ring des Nibelungen“.

Christian Thielemann ist in Berlin Wilmersdorf geboren und im Villenviertel Schlachtensee aufgewachsen. Die Eltern Hans und Sybille Thielemann, bürgerlich-konservativ und musikbegeistert, entdecken und fördern früh das musikalische Talent ihres einzigen Kindes. Preußische Tugenden wie Selbstdisziplin, Strebsamkeit, Selbstzucht sowie Traditions- und Geschichtsbewusstsein spielen im Elternhaus eine große Rolle. Und eben die Liebe zur Musik. Beide Eltern spielen sehr gut Klavier und hätten selbst gern eine musikalische Laufbahn eingeschlagen.

Seine musikalische Ausbildung ist gründlich und erstklassig: Mit sechs Jahren Klavierunterricht, mit zehn Jahren erst Geigen- dann Bratschenunterricht. Ab vierzehn Privatschüler des Pianisten und Musikprofessors Hans Roloff an der Hochschule der Künste in Berlin, der ihn sowohl praktisch als auch theoretisch maßgeblich ausbildet.

Zwar ist Christian Thielemann talentiert, doch er ist kein musikalisches Wunderkind. Mit dreizehn oder vierzehn Jahren hört er in der Deutschen Oper Wagners "Tristan und Isolde". Da steht für ihn fest, dass er nicht wie geplant Klaviervirtuose, sondern Dirigent werden will. Sein Klavierstudium führte er dennoch bis zur Konzertreife fort.

Nach seiner ersten Stelle als Korrepetitor an der Deutschen Oper Berlin ist Christian Thielemann danach in gleicher Funktion in Gelsenkirchen, Karlsruhe und Hannover tätig. Die sogenannte "Ochsentour" durch deutsche Stadt- und Staatstheater betrachtet er als lehrreiche und wertvolle Zeit. Ab 1985 ist Christian Thielemann bereits Erster Kapellmeister der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf/Duisburg.

Drei Jahre später wird er der jüngste deutsche Generalmusikdirektor am Nürnberger Opernhaus. Seine erste Spielzeit 1988/89 beginnt Thielemann gleich mit einem Paukenschlag: er setzt Hans Erich Pfitzners Oper "Palestrina" auf den Spielplan. Der 1949 verstorbene Komponist stand im Ruf, ein unverbesserlicher Antisemit zu sein, der sich den Nationalsozialisten angedient hatte. Ausgerechnet in Nürnberg, der Stadt der Reichsparteitage, Pfitzner aufzuführen, war für manchen Kritiker Grund genug, Thielemann politisch in die "national-konservative Ecke" zu stellen. Thielemann scherte sich nicht darum und begründete seine Entscheidung mit der herausragenden Qualität von Musik und Libretto. Thielemann gelingt in Nürnberg endgültig der Durchbruch – hier dirigiert er auch erstmals Wagner Opern.

Der Nürnberger Zeit folgen fünf Auslandsjahre zwischen 1992-1997. Als Gastdirigent arbeitet er vor allem bei großen Orchestern in den USA und Italien. Viele seiner Konzerte werden von der Kritik als musikalische Ereignisse gefeiert. 1997 dann der bis dahin vorläufige Höhepunkt seiner Karriere durch den Ruf als Generalmusikdirektor an die Deutsche Oper Berlin unter Intendant und Regie-Koryphäe Götz Friedrich. Dort dirigiert er auch zum ersten Mal einen kompletten Ring-Zyklus in Götz Friedrichs legendärer Inszenierung. Kompetenzstreitigkeiten mit Friedrichs Nachfolger und Querelen um die finanzielle Ausstattung der Deutschen Oper führten dazu, dass Thielemann das Haus 2004 verlässt. Ein großer Verlust für die Stadt, wie Publikum und Kulturkritiker einhellig befinden.

In München übernimmt er danach am 1. September 2004 mit den Philharmonikern ein Konzert- und kein Opernorchester. Die Schwierigkeiten in Berlin wurden allerdings aufgewogen durch die Triumphe, die Christian Thielemann seit seinem Debüt im Jahr 2000 bei den Bayreuther Festspielen feiert. Zum Einstand dirigierte er dort die Meistersinger, es folgten Parsifal, Tannhäuser und seit 2006 der gesamte Ring-Zyklus mit den Opern: Rheingold, Walküre, Siegfried und Götterdämmerung. Für alle Dirigenten gilt es als Auszeichnung, den Ring in Bayreuth dirigieren zu dürfen.

Christian Thielemann hat beim Wagner Clan einen erstklassigen Stand. Sogar sein Eintritt in den Führungszirkel der Festspiele stand zur Diskussion. Mit Katharina Wagner hatte er bereits ein Konzept erarbeitet. Der Patriarch Wolfgang Wagner fand diese Variante zukunftsträchtig, der Stiftungsrat der Festspiele war aber dagegen und favorisierte Wagners gleichfalls bevorzugte Lösung der gemeinsamen Doppelspitze seiner beiden Töchter Katharina Wagner und Eva Wagner Pasquier. Unter ihrer Regie werden die Festspiele in diesem Jahr zum ersten Mal stattfinden. Christian Thielemann wird ihnen dabei als künstlerischer Berater in allen musikalischen Fragen zur Seite stehen.